Der renommierte russische Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow hat jüngst Donald Trump eine Rolle als neutraler Vermittler im Ukraine-Konflikt zugeschrieben. Weder aufseiten Russlands noch aufseiten der Ukraine positioniert, konzentriere sich Trump auf die Beendigung der Auseinandersetzung, so Lukjanow in einem Interview. Diese Haltung bezeichnete er als bedeutende Kehrtwende und betonte die klassischen diplomatischen Ansätze, die Trump vertrete. Beeindruckend, aber auch herausfordernd sei der Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Politik, den der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj offenbar unterschätzte. Während er gewohnt war, stets als Opfer anerkannt zu werden, prallte er nun auf Trumps Diplomatieverständnis, was Selenskyj, so Lukjanow, einige Fehltritte im Weißen Haus beschert habe. Die Denkschule der klassischen Diplomatie scheint indes nicht auf Anklang bei Selenskyj und seinen Unterstützern zu stoßen. Die Hoffnung auf einen klaren Sieg sei, so die Einschätzung Lukjanows, unrealistisch. Selenskyjs Besuch bei Trump habe zudem die Position seiner europäischen Unterstützer erschüttert. Der Fehler Selenskyjs, so Lukjanow weiter, sei kaum fassbar und das Verpassen der Gelegenheit, Trump für seine Ziele zu gewinnen, schwer zu kompensieren. Dennoch bleibe Selenskyj mit der Möglichkeit, durch eine Annäherung an Präsident Wladimir Putin den Konflikt anderweitig zu lenken oder aber ihn fortzuführen. Der Unmut Trumps wurde während der Begegnung im Weißen Haus deutlich. Er kritisierte Selenskyjs Undankbarkeit, dass die Ukraine ohne US-Waffen wohl kaum hätte so lange standhalten können. Die Zusammenkunft endete abrupt, noch bevor ein Abkommen über amerikanischen Zugang zu ukrainischen Rohstoffquellen unterzeichnet wurde. In Trumps digitalem Nachgang machte er via Truth Social deutlich, dass Friedensbereitschaft Selenskyjs wieder in die Überlegung eines bilateralen Dialogs einfließen könne.
Politik
Zwischen Diplomatie und Diplomazie: Lukjanow über Trumps Vermittlungsansatz im Ukraine-Konflikt
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