Wachstum nur auf dem Papier
520,1 Millionen Euro Umsatz im ersten Quartal, ein Plus von 11,6 Prozent. Dazu ein bereinigtes Ebitda von 91,5 Millionen Euro – ebenfalls deutlich höher als im Vorjahr.
Die Schlagzeilen sehen gut aus für Gerresheimer. Doch der Blick in die Details entlarvt die Zahlen: Das vermeintliche Wachstum stammt einzig und allein aus dem Zukauf von Bormioli Pharma, einem italienischen Anbieter von Primärverpackungen für Arzneimittel.
Ohne diesen Effekt wäre der Umsatz im Kerngeschäft um 6,5 Prozent gesunken. Dass sich das Management dennoch zufrieden zeigt und an seinen Jahreszielen festhält, wirkt fast trotzig.
Der Bormioli-Effekt
Gerresheimer hatte Bormioli im Jahr 2024 übernommen – ein strategisch sinnvoller Schritt, um sich breiter aufzustellen und in Europa Marktanteile zu sichern. Die Integration verläuft offenbar reibungslos, und kurzfristig liefert der Zukauf, was er soll: mehr Umsatz, bessere Marge, einen stabileren Geschäftsverlauf.
Doch die Rechnung hat einen Haken. Denn ohne den Zukauf wäre das erste Quartal ein Rückschritt gewesen. Die Nachfrage im angestammten Geschäft mit Spritzen, Ampullen und Injektionssystemen ist schwächer als erwartet. Grund seien laut Unternehmen unter anderem Verschiebungen bei Kundenabrufen.
Dass solche Argumente selten wirklich überzeugen, zeigt sich in der Reaktion am Markt: Anleger bleiben vorsichtig.
Ein Konzern unter Beobachtung
Gerresheimer steht spätestens seit Ende 2023 unter verschärfter Beobachtung. Finanzinvestoren interessieren sich zunehmend für den MDAX-Konzern, auch weil der Markt für medizinische Verpackungen als relativ konjunkturresistent gilt. Gleichzeitig kritisieren Analysten die geringe Transparenz und schwankende operative Leistung.
Die aktuellen Zahlen dürften diese Einschätzung bestätigen: Die operative Marge liegt mit 17,6 Prozent zwar solide, aber deutlich unter dem Zielwert von 22 Prozent, den das Management für das laufende Jahr ausgegeben hat. Nur dank Bormioli konnte das Ebitda überhaupt zulegen.
Der Blick nach vorn – und nach innen
Offiziell gibt sich Gerresheimer weiter zuversichtlich. Für das Gesamtjahr erwartet der Konzern ein Umsatzwachstum zwischen drei und fünf Prozent. Die operative Marge soll auf rund 22 Prozent steigen – ein Ziel, das ohne weitere positive Sondereffekte ehrgeizig erscheint.
Denn der organische Rückgang zum Jahresauftakt ist nicht nur ein Ausrutscher. Schon 2023 hatte sich abgezeichnet, dass das Kerngeschäft nicht mehr automatisch wächst. Die Margen geraten unter Druck, auch weil Kunden zunehmend auf günstigere Standardlösungen setzen. Hinzu kommt: In einigen Bereichen – etwa bei Spezialverpackungen – ist die Konkurrenz aus Asien deutlich billiger.
Anleger hoffen auf mehr als Zukäufe
Die Frage ist, ob Gerresheimer den Sprung aus der Nische schafft – vom soliden Komponentenhersteller hin zum skalierbaren Systemanbieter mit Innovationskraft. Bisher kamen Wachstumsimpulse vor allem über externe Käufe. Doch ein nachhaltiger Turnaround braucht mehr als Übernahmen.
Der Kapitalmarkt erwartet, dass sich die Integration von Bormioli nicht nur in Zahlen, sondern auch in Kultur und Innovation niederschlägt. Das Management muss nun zeigen, dass es mehr kann als bilanzielles Wachstum.
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