Viereinhalb Jahre nach dem spektakulären Zusammenbruch des Dax-Unternehmens Wirecard, tritt nun das Bayerische Oberste Landesgericht ins Rampenlicht. Der Fokus liegt weniger auf dem insolventen Zahlungsdienstleister selbst, sondern vielmehr auf der Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die jahrelang die fragwürdigen Bilanzen geprüft und bestätigt hatte.
Die Musterklage eines hessischen Aktionärs soll stellvertretend für tausende Geschädigte Klarheit bringen. Der Anwalt der Klägerseite, Peter Mattil, zeigt sich optimistisch, dass in den nächsten Jahren ein erstes Urteil erwartet werden kann. Die umfangreiche Klageschrift, die satte 800 Seiten umfasst, legt zahlreiche Versäumnisse von EY dar. Das Gericht wird sich mit der Frage befassen müssen, ob die Feststellungen gegen EY Bestand haben und eine ausreichende Grundlage für den angestrebten Schadensersatz bilden.
EY hingegen weist alle Vorwürfe von sich und bewertet die Klagen als unbegründet. Eine gerichtliche Vorprüfung wird klären müssen, ob die von EY geprüften Bilanzen tatsächlich als irreführende Kapitalmarktinformationen einzustufen sind. Der Ausgang dieses Verfahrens ist auch deshalb bedeutend, weil EY neben dem ehemaligen Wirecard-Vorstand Markus Braun als einer der Hauptverantwortlichen für das Desaster gilt.
Während das Musterverfahren getrennt vom laufenden Strafprozess gegen Braun und andere Mitangeklagte stattfindet, zeigt die Dimension des Falls mit Forderungen von insgesamt über 15 Milliarden Euro und 50.000 betroffenen Aktionären die enorme Belastung der Münchner Justiz. Allein das Verfahren gegen EY könnte sich über mehrere Jahre erstrecken.
Angesichts dieser gewaltigen Aufgabe kommen Zweifel an der Geschwindigkeit der Justiz auf. Die Aktionärsgemeinschaft SdK kritisiert die lange Verfahrensdauer und vermutet strukturelle Defizite bei Gericht. Die Komplexität und die Vielzahl an eingereichten Dokumenten erfordern jedoch gründliche Bearbeitung, wie das Gericht betont.
Das Musterverfahren soll den Weg für zahlreiche Schadensersatzklagen ebnen und die juristische Aufarbeitung des größten Zivilverfahrens in der Geschichte der Bundesrepublik beschleunigen. Dabei bleibt die Hoffnung auf baldige Fortschritte – ohne in jahrzehntelange Wartezeiten zu verfallen.