Weltweiter Rückzug: Wenn Vertrauen verschwindet
An den Finanzmärkten herrscht seit dem Wochenende Nervosität, wie man sie lange nicht mehr erlebt hat. Die Stimmung ist gekippt – nicht wegen einer Rezession, sondern wegen der Angst davor. Auslöser ist ein alter Bekannter mit neuen Ambitionen: Donald Trump.
Mit der Ankündigung umfassender Strafzölle gegenüber nahezu allen Handelspartnern hat der US-Präsident die Märkte kalt erwischt. Anleger reagieren mit einem Reflex, der so alt ist wie die Börse selbst: Risiko raus, Sicherheit rein.
Nikkei stürzt ab, DAX verliert Halt
Der japanische Nikkei 225 fällt um mehr als vier Prozent – der größte Tagesverlust seit Monaten. Auch Europa ist betroffen: Der EuroStoxx 50 verliert ein Prozent, der DAX fällt unter die Marke von 22.000 Punkten und notiert damit auf dem niedrigsten Stand seit Mitte Februar. Ein Warnsignal für Investoren weltweit – denn bislang galt Europa als sicherer Hafen im Schatten der schwächelnden US-Tech-Werte.
Trump eskaliert: „Wir fangen mit allen Ländern an“
Die Schärfe der neuen US-Zollpolitik überrascht selbst jene, die Trumps Rhetorik gewohnt sind. Während Berater zuletzt noch signalisierten, dass sich Zölle auf wenige Länder mit großem Handelsdefizit konzentrieren würden, sagt Trump nun das Gegenteil: „Wir beginnen im Grunde mit allen.“ Eine Drohung, die plötzlich nicht mehr wie ein Bluff wirkt, sondern wie der Auftakt zu einem globalen Handelskonflikt.

Zollspirale: Die Märkte haben den Schuss gehört
Lange galt Trumps Zollpolitik als Druckmittel – nicht als reale Bedrohung. Das ändert sich gerade. Portfoliomanager Thomas Altmann spricht von einem „extrem gefährlichen Punkt“.
Die Marktmechanik ist eindeutig: Höhere Zölle bedeuten höhere Preise. Die Folge: geringere Nachfrage, sinkende Unternehmensinvestitionen, weniger Jobs. Wer sich an die Zollpolitik von 2018 erinnert, weiß, wie schnell daraus eine ausgewachsene Wirtschaftskrise werden kann.
Gold glänzt, Bitcoin fällt
Die Kapitalflucht zeigt sich in den Assets: Während der Bitcoin in nur einer Woche über 7.000 Dollar verliert und der Kryptomarkt mehr als 200 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung einbüßt, steigt der Goldpreis auf über 3.100 Dollar – ein neues Allzeithoch.
Auch Staatsanleihen sind gefragt: Zehnjährige US-Treasuries fallen auf eine Rendite von unter 4,2 %. Für viele Investoren zählt aktuell nur noch eines: Sicherheit.
Deutscher Markt besonders anfällig
Deutschland trifft es doppelt: Einerseits leiden exportorientierte DAX-Konzerne besonders unter globalen Handelsbarrieren – über 80 Prozent der Umsätze erzielen sie außerhalb des Landes. Andererseits fehlt aktuell ein funktionierendes Sicherheitsnetz.
Seit dem Verfallstag am 21. März ist die Zahl ausstehender Put-Optionen auf den DAX stark gesunken. Eine gefährliche Konstellation, sagt Altmann: „Ohne Absicherung kann ein Kursrutsch leicht zur Verkaufswelle werden.“
Zölle, Inflation, Stagflation?
Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz warnt bereits vor einer Stagflation – der toxischen Mischung aus stagnierendem Wachstum und steigenden Preisen.
Goldman Sachs sieht die Rezessionswahrscheinlichkeit in den USA inzwischen bei 35 % – gegenüber nur 20 % vor wenigen Wochen. Das Bruttoinlandsprodukt soll 2025 laut Prognose nur noch um 1 % wachsen, während die Kerninflation bei 3,5 % verharrt.
Was kommt nach dem 2. April?
Trump hat den 2. April zum „Liberation Day“ erklärt – eine Art symbolische Kampfansage an die Globalisierung. Ab dann sollen neue Zölle greifen. Was danach passiert, weiß niemand. Sicher ist nur: Ein Handelskonflikt in dieser Größenordnung hat das Potenzial, nicht nur Lieferketten zu stören, sondern die gesamte Weltwirtschaft zu destabilisieren.
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