19. September, 2024

Finanzen

Zinspolitik am Limit: Kommt jetzt die Rezession?

Die Notenbanken stehen vor einer kritischen Entscheidung. Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US-Notenbank Fed werden die Zinsen senken – doch viele Experten befürchten, dass dies zu spät kommt. Droht jetzt die globale Rezession?

Zinspolitik am Limit: Kommt jetzt die Rezession?
Die US-Notenbank senkt zum ersten Mal seit 2019 die Zinsen, doch Experten befürchten, dass die Entscheidung zu spät kommt. Eine drohende Rezession könnte unausweichlich sein.

Fed und EZB: Zinssenkungen mit Risiko

Am 18. September ist es soweit: Die US-Notenbank Fed wird die Leitzinsen senken – das erste Mal seit 2019. Jerome Powell, Chef der Fed, ließ beim jährlichen Zentralbanktreffen in Jackson Hole keinen Zweifel: „The time has come“ – die Zeit ist reif.

Doch viele fragen sich: Ist es vielleicht schon zu spät? Der Vorwurf, die Fed habe zu lange gezögert, steht im Raum. Jetzt droht eine „harte Landung“, also eine Rezession, die den weltweiten Märkten schaden könnte. Besonders Deutschland wäre betroffen, denn die US-Wirtschaft ist für Exporteure ein Schlüsselfaktor.

Timing ist alles: Zinspolitik im Fokus

Die richtige Timing-Frage ist für Notenbanken entscheidend. Der Vergleich aus dem Eishockey passt hier perfekt: Notenbanker müssen dorthin blicken, wo sich die Wirtschaft hinbewegt, und nicht, wo sie gerade ist. Doch das ist aktuell besonders schwierig.

Trotz positiver Beschäftigungsdaten steckt die Privatwirtschaft in Deutschland in Schwierigkeiten. Weitere Zinssenkungen der EZB sollen die schwächelnde Eurozone stabilisieren.

Jens Eisenschmidt, Chefökonom bei Morgan Stanley, warnt, dass die Pandemiefolgen die wirtschaftlichen Parameter verzerrt haben. Statistiken, die früher verlässlich waren, sind jetzt schwerer zu interpretieren. Dies gilt vor allem für die Arbeitsmarktdaten in den USA und Europa.

Der Arbeitsmarkt als schlechter Indikator

Besonders der US-Arbeitsmarkt stellt die Fed vor Probleme. Normalerweise wird er als Hauptindikator für die wirtschaftliche Lage herangezogen, doch derzeit zeigt er ein ungenaues Bild.

Die Arbeitslosenrate ist auf über vier Prozent gestiegen, aber das liegt an der Zuwanderung und nicht an Entlassungen. Eine schwierige Lage, wenn es darum geht, die richtige geldpolitische Entscheidung zu treffen.

In Europa, insbesondere in Deutschland, sieht es ähnlich aus. Die Statistik zeigt eine Rekordzahl an sozialversicherungspflichtigen Jobs, doch das verzerrt die Realität: Die Privatwirtschaft kämpft, während der öffentliche Dienst viele Stellen geschaffen hat. Diese Verzerrungen verdecken die wahre wirtschaftliche Schwäche, die eine weitere Zinssenkung der EZB nötig macht.

Im dritten Quartal 2024 senkten sowohl die Fed als auch die EZB die Leitzinsen, um die schwächelnde Wirtschaft zu stützen. Doch der späte Eingriff sorgt für Bedenken: Kommt die Zinssenkung zu spät, um eine Rezession noch zu verhindern?

Kommt die Rezession?

An der Wall Street brodelt die Diskussion: Kommt die Rezession? Bill Dudley, ehemaliger Fed-Notenbanker, sieht das Risiko einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten bei 50 bis 60 Prozent.

Hauptgrund: der Arbeitsmarkt und der rückläufige Konsum in den USA. Der gefürchtete Absturz könnte bevorstehen, wenn die Fed tatsächlich zu spät reagiert hat.

Optimisten wie David Mericle von Goldman Sachs bleiben jedoch zuversichtlich. Ja, die Fed hätte früher handeln können, sagt er, aber das werde keinen großen Unterschied machen. Doch die Historie spricht eine andere Sprache: In vier von sechs großen Zinssenkungszyklen seit den 1980er-Jahren folgte eine Rezession.

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