Politik
Zerbricht die Koalition kommenden Mittwoch?
Finanzminister Lindner schießt scharf: Mit einem „Wirtschaftswende“-Papier fordert er radikale Reformen und stellt die Koalition vor eine Zerreißprobe. Geht die Ampel daran zugrunde?
Finanzminister Lindner schießt scharf: Mit einem „Wirtschaftswende“-Papier fordert er radikale Reformen und stellt die Koalition vor eine Zerreißprobe. Geht die Ampel daran zugrunde?
Christian Lindner zieht die Daumenschrauben an: In einem 18-seitigen Papier fordert er nicht weniger als eine „Wirtschaftswende“ für Deutschland. Und das sorgt für Unruhe.
Der FDP-Chef greift direkt in die politische DNA der Ampelkoalition ein und fordert die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, das Aussetzen von Klimazielen und ein dreijähriges Moratorium für neue Belastungen der Wirtschaft.
Alles Forderungen, die besonders den Grünen und der SPD gegen den Strich gehen dürften. Lindner spielt also mit dem Feuer – ist das Papier die Sprengladung für die Ampel?
Viele Forderungen sind nicht neu. Doch in der aktuellen, ohnehin schon fragilen Lage der Koalition, wirkt das Dokument wie eine Kampfansage. Lindner fordert „Schutz für den Standort Deutschland“ und eine „strategische Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik“.
Dass er dafür das Wirtschaftsprogramm der Grünen und Sozialdemokraten auf den Kopf stellen möchte, ist eine Provokation, die kaum unkommentiert bleiben kann.
Tatsächlich ziehen erste Politiker der Grünen bereits den Vergleich zum legendären „Lambsdorff-Papier“ von 1982 – damals läutete die FDP mit einem ähnlichen Papier das Ende der sozialliberalen Koalition ein.
Ein rotes Tuch ist besonders Lindners Vorschlag, die Klimaneutralität von 2045 auf 2050 zu verschieben – eine Forderung, die bei den Grünen wie eine offene Kampfansage ankommt.
Während Wirtschaftsminister Robert Habeck auf ambitionierte Klimaziele pocht, argumentiert Lindner, dass es keinen Sinn mache, Deutschland in eine Vorreiterrolle zu drängen, die die Wirtschaft unnötig belaste. „Deutschland sollte Vorbild sein, nicht Vorreiter“, mahnt er und fordert, die CO₂-Reduktion eher mit wirtschaftlichem Wachstum zu verbinden als mit drastischen Verboten.
Für die Grünen ein Affront: Die Klimaziele sind ein Herzstück ihres Programms, daran wollen sie nicht rütteln.
Ein weiteres Reizthema: der Solidaritätszuschlag. Lindner will ihn in zwei Schritten abschaffen, bereits 2025 soll der Soli auf drei Prozent gesenkt werden, bis er 2027 endgültig entfällt. Auch hier ist der Plan eindeutig: Den Besserverdienenden soll die Steuerlast abgenommen werden.
SPD und Grüne haben längst klargemacht, dass sie dieses Vorhaben als unfair ansehen – schließlich profitieren davon vor allem die Einkommensstärksten. Doch Lindner setzt genau hier an: „Deutschland braucht Entlastungen, keine zusätzlichen Lasten.“
Damit nicht genug: Für die nächsten drei Jahre fordert der Finanzminister eine völlige Stagnation aller neuen Regulierungen, um die Wirtschaft nicht weiter zu belasten. Darunter sollen ausgerechnet Projekte der SPD fallen, wie das Tariftreuegesetz und das Lieferkettengesetz.
Es ist ein Punkt, der bei den Sozialdemokraten auf besondere Ablehnung stoßen dürfte. Die Forderung könnte als Versuch verstanden werden, die SPD im Kern ihrer sozialen Agenda auszubremsen – ein taktischer Schachzug, der die Wogen innerhalb der Koalition noch weiter hochschlagen lässt.
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Das „Wirtschaftswende“-Papier ist nicht nur ein wirtschaftspolitisches Konzept, sondern möglicherweise auch ein Kalkül. Manche Beobachter fragen sich, ob Lindner bewusst die Koalitionspartner provoziert, um das Ende der Zusammenarbeit herbeizuführen.
Die FDP steht in den Umfragen nicht gut da, ein Koalitionsbruch könnte die Chance bieten, sich neu zu positionieren. Die Kritik aus der SPD und den Grünen folgte prompt, doch Lindner bleibt standhaft und betont die „Dringlichkeit“ seiner Forderungen.
Mittwoch ist Showdown: Die Koalition trifft sich, um über Lindners Forderungen zu sprechen. Die angespannte Finanzlage im Haushalt verschärft die ohnehin fragile Situation. Die Regierung steht vor der Herausforderung, Milliardenlücken im Budget zu schließen.
Die FDP besteht auf striktem Sparkurs, SPD und Grüne sind hingegen offen für Schulden. Der Konflikt birgt enormes Zündpotenzial: Sollte Lindner mit seinen Forderungen weiter auf Kollisionskurs bleiben, könnte das Treffen am Mittwoch das endgültige Aus für die Ampel bedeuten.
Mit seinem „Wirtschaftswende“-Papier hat Lindner eine klare Botschaft gesendet: Er wird sich nicht verbiegen lassen, um den Koalitionsfrieden zu wahren. Die Frage, ob die Ampel diesen Test besteht oder im politischen Orkan zerschellt, könnte schon in wenigen Tagen beantwortet werden.
Klar ist: Die nächste Runde der Haushaltsverhandlungen wird zeigen, ob die Ampel tatsächlich noch eine Zukunft hat – oder ob Deutschland schon bald wieder in den Wahlkampfmodus schaltet.