Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor der Herausforderung, ihre Geldpolitik angesichts stagnierender Binnennachfrage neu zu kalibrieren. Der italienische Notenbankchef Fabio Panetta hat in einer Rede den dringenden Appell geäußert, von der bisherigen Strategie, die Entscheidungen von Sitzung zu Sitzung zu treffen, abzuweichen und stattdessen schnellere Zinssenkungen zu forcieren, um die Wirtschaft der Eurozone zu beleben.
Panetta, der von 2020 bis 2023 Mitglied im Direktorium der EZB war, betonte, dass die restriktive Geldpolitik bei einer fast erreichten Inflationszielvorgabe und schwacher Nachfrage im Inland nicht mehr notwendig sei. Die Sorge, dass die Inflation deutlich unter das angestrebte Zwei-Prozent-Ziel fallen könnte, sei für einige Entscheidungsträger seit dem Sommer wieder ein Thema.
In diesem Jahr hat die EZB die Zinsen bereits dreimal gesenkt, was zu einem Leitzins von 3,25 Prozent führte. Eine weitere Senkung um 0,25 Basispunkte im Dezember sowie schrittweise weitere Anpassungen im kommenden Jahr werden erwartet. Der zentrale Einlagenzins könnte bis Mitte 2025 auf etwa 2 Prozent sinken - dem allgemein als neutral angesehenen Niveau, das weder expansiv noch kontraktiv wirkt.
Panetta warnte jedoch, dass die schwache Binnenkonjunktur und die trüben Aussichten im Welthandel eine zügige Normalisierung der Zinsen erfordern. Eine Fortsetzung der restriktiven Haltung wäre ihrer Ansicht nach ein Fehler.
Die EZB selbst hat kürzlich anerkannt, dass die Inflation schneller fällt als prognostiziert, und erwartet, dass das Zwei-Prozent-Ziel nun im Laufe des nächsten Jahres erreicht wird. Die jährliche Inflationsrate fiel im September unter das gewünschte Niveau, stieg jedoch im letzten Monat wieder auf 2 Prozent.
Die Forderung nach einem klareren Ausblick auf den künftigen Zinsverlauf wird von Panetta als Möglichkeit gesehen, Haushalten und Unternehmen zu helfen, fundierte Entscheidungen über langfristige Investitionen und Anschaffungen zu treffen.