Rund 251 Millionen Bestellungen hat Zalando im vergangenen Geschäftsjahr europaweit abgewickelt. Doch was davon tatsächlich in den Kleiderschränken der Kunden gelandet ist, bleibt fraglich.
Durchschnittlich wird laut Zalando jede zweite Sendung zurückgeschickt – eine Quote, die selbst im globalen Maßstab einmalig hoch ist. Deutschland gilt als Europas Retouren-Europameister.
Jetzt greift das Unternehmen hart durch: Wie die InvestmentWeek zuerst berichtete, hat Zalando rund 10.000 Kundenkonten deaktiviert – als Reaktion auf ein „auffällig hohes Rücksendeverhalten“. Ein beispielloser Schritt im europäischen E-Commerce. Und einer, der polarisiert.
Nur 0,02 Prozent – aber ein teures Problem
Zalando betont, dass es sich lediglich um 0,02 Prozent der mehr als 50 Millionen aktiven Kundenkonten handelt. Das klingt zunächst nach einer Bagatelle.
Doch rechnet man hoch, dass diese Kunden einen überdurchschnittlich hohen Anteil der Logistiklast verursachen, zeigt sich: Die wirtschaftliche Belastung durch extrem hohe Retourenquoten ist erheblich.
Retouren sind nicht nur eine Kostenfrage – sie bringen Lagerlogistik, Datenanalysen, Einkauf und Retourenaufbereitung unter Druck.
Besonders bei Mode: Retouren müssen gesichtet, geprüft, gegebenenfalls gereinigt und neu verpackt werden. Bei Margen unter zehn Prozent eine wirtschaftlich heikle Angelegenheit.

Die neue Zalando-Linie: Kulanz nur noch bis zur Grenze
Bislang galt Zalando als Musterbeispiel für Kundenfreundlichkeit: Rückgaben waren kostenlos, großzügig und mit langen Fristen verbunden. Doch die neue Strategie ist klar: Wer das System übermäßig strapaziert, muss mit Konsequenzen rechnen. Die betroffenen Kundenkonten bleiben ein Jahr lang gesperrt – eine Bestellung ist in dieser Zeit nicht mehr möglich.
Die aktualisierten AGBs geben Zalando dabei rechtlich Rückenwind. Nach welchen Kriterien ein Kunde jedoch als „auffällig“ eingestuft wird, bleibt auch auf Nachfrage der InvestmentWeek unklar.
Was sagt die Kundschaft?
Die InvestmentWeek hat exklusiv 18.000 Bürgerinnen und Bürger in Deutschland telefonisch befragt. Die repräsentative Umfrage zeigt:
- 67 % der Befragten halten das Vorgehen für „nachvollziehbar“ oder „überfällig“.
- 21 % sehen darin einen gefährlichen Eingriff in die Verbraucherrechte.
- 12 % geben an, sich jetzt bewusster beim Onlineshopping zu verhalten.
Besonders hohe Zustimmung erhält die Maßnahme unter Menschen über 55 Jahren – vor allem wegen der Umwelt- und Logistikbelastung. In der Gruppe der 18- bis 35-Jährigen ist die Skepsis höher: Hier bewerten 36 Prozent die Sperrung als „überzogen“ oder „kundenfeindlich“.
Wenn Click & Return zum Problem wird
Das Hauptargument der Zalando-Kritiker lautet: Das Unternehmen habe jahrelang aktiv zum Rücksendeverhalten erzogen. Wer etwa drei Größen bestellt, folge einer Shoppinglogik, die Zalando selbst durch künstliche Intelligenz und Personalisierung mitgeprägt habe. Dass dieses Verhalten nun sanktioniert werde, sei inkonsequent.
Tatsächlich hatte Zalando in den vergangenen Jahren massiv in technische Tools investiert – etwa in digitale Größenberater, virtuelle Anproben und KI-gestützte Empfehlungen. Das Ziel: die Rücksendequote zu senken, ohne dabei den Komfort zu verlieren. Mit mäßigem Erfolg. Noch immer entfallen laut Zalando rund ein Drittel der Rücksendungen allein auf falsche Größenwahl.