Die Anzahl der überschuldeten Bundesbürger ist nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform erstmals seit 2018 wieder gestiegen. Laut dem "Schuldneratlas Deutschland 2023" sind aktuell 5,9 Millionen Menschen überschuldet, was einem Anteil von 8,51 Prozent der Erwachsenen entspricht. Der Anstieg beträgt 17.000 Menschen. Die Creditreform-Experten warnen jedoch vor einem stärkeren Anstieg im kommenden Jahr.
Als überschuldet werden Personen bezeichnet, die langfristig ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen können. Creditreform wertet für den "Schuldneratlas" anonymisierte Daten aus amtlichen Registern, Online-Händlern und anderen Quellen aus.
Die Zahl der Überschuldungen ist in der neuen Berechnung leicht auf 5,65 Millionen gesunken, da Creditreform seine Methodik umgestellt hat. Vergleicht man jedoch die Zahlen mit der gleichen Methodik wie im Vorjahr, ergibt sich ein Anstieg auf 5,9 Millionen.
In den letzten Jahren war die Zahl der Überschuldungen stetig gesunken. Die Einschränkungen während der Coronakrise führten dazu, dass Menschen sparsamer wurden und seltener in die Schuldenfalle gerieten. Niedrige Zinsen und staatliche Hilfen trugen ebenfalls zur Besserung bei.
Nun sieht die Lage anders aus. Die konjunkturellen Aussichten sind düster, die Arbeitslosenzahlen steigen und die Zinsen ziehen an. Dies führt dazu, dass beispielsweise die Tilgung einer Wohnung teurer wird. Hinzu kommen hohe Lebenshaltungskosten. Experten warnen vor einer weiteren Verschärfung der Situation.
Ein Blick auf die Altersgruppen zeigt, dass vor allem Unter-30-Jährige von Überschuldung betroffen sind. Neue Ratenkreditangebote von Online-Zahlungsdienstleistern, bei denen die Zahlung erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig wird, finden bei jungen Menschen Anklang. Experten warnen vor der Gefahr, den Überblick über die fälligen Zahlungen zu verlieren. Nach zehn Jahren ohne Anstieg der Überschuldung in der Unter-30-Altersgruppe ist nun wieder ein Anstieg zu verzeichnen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung berichtet von steigenden Anfragen von Personen, die mit Schulden kämpfen. Die Prognose von Creditreform, dass sich das Problem im kommenden Jahr verschärfen wird, wird mit Sorge betrachtet. Die Wartezeiten bei den Beratungsstellen sind aufgrund der hohen Nachfrage lang. Es wird gefordert, die staatlich anerkannten und kostenfrei zugänglichen Beratungsangebote massiv auszubauen.
Verbraucherschützer setzen sich für einen besseren Schutz der Verbraucher bei der Kreditvergabe ein, um eine Überschuldung von vornherein zu vermeiden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, gesetzlich nachzuschärfen und das verfügbare Einkommen bei der Kreditwürdigkeitsprüfung zwingend zu erfassen. Auch die "Buy now pay later"-Angebote werden als problematisch angesehen.
Die Experten von Creditreform sind sicher, dass die Zahl der Überschuldungen im kommenden Jahr weiter steigen wird, können jedoch keinen genauen Wert nennen. Ihre Prognose von 600.000 zusätzlichen Überschuldungen für 2023 hat sich nicht bewahrheitet. Die staatlichen Stützungsmaßnahmen und die vernünftige finanzielle Vorsorge vieler Verbraucher haben sich als wirksame Maßnahmen erwiesen.
Eine Umfrage der Auskunftei CRIF zeigt zudem ein pessimistisches Bild. 39 Prozent der Bundesbürger rechnen im kommenden Jahr mit einem geringeren Monatsbudget. 16 Prozent geben an, auf neue Kredite angewiesen zu sein.