01. April, 2025

Märkte

Kaffee für Zehn Euro? Warum der Preisanstieg noch nicht am Ende ist

Klimakrise, leere Lager, volatile Börsen: Die Kaffeepreise explodieren – und das ist erst der Anfang. Wie die Branche unter Druck gerät, wer wirklich verliert und warum der Supermarktpreis noch lange nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Kaffee für Zehn Euro? Warum der Preisanstieg noch nicht am Ende ist
Die Rohkaffeepreise haben sich seit 2021 nahezu verdreifacht. Schuld sind Missernten, Klimawandel und volatile Börsen. Und trotzdem kommt bei den Erzeugern kaum mehr Geld an.

Im deutschen Supermarkt beginnt der Tag nicht mehr bei Tchibo, sondern mit einem Preisschock. Zehn Euro für ein Pfund Filterkaffee – und selbst Discounterkunden müssen beim Griff zur Hausmarke schlucken.

Was viele Konsumenten derzeit als temporären Ausschlag an der Ladenkasse werten, ist in Wahrheit ein strukturelles Erdbeben: Der globale Kaffeemarkt steckt in einer Dauerkrise – und sie wird sich weiter zuspitzen.

An der Börse längst Alltag: 30 Cent Preisschwankung pro Tag

Die Rohstoffbörse in New York hat den Alarm längst ausgelöst. Der Preis für ein US-Pfund Rohkaffee schwankte zuletzt täglich um bis zu 30 Cent – ein Maß an Volatilität, das selbst erfahrene Händler überrascht.

„Diese Schwankungen sind ein Albtraum für jeden, der mit realer Ware arbeitet“, sagt Arthur Darboven, Miteigentümer des traditionsreichen Kaffeegroßhändlers Benecke Coffee. Der Preis pendelt aktuell um vier Dollar, eine neue Welle mit fünf Dollar oder mehr wird nicht ausgeschlossen.

Der Klimawandel zieht die Erträge runter

Hinter der Preisdynamik stehen keine Spekulanten – sondern die Realität in den Kaffeeregionen der Welt. In Brasilien, Kolumbien oder Äthiopien verlieren die Plantagen an Ertrag, nicht weil die Nachfrage sinkt, sondern weil die klimatischen Bedingungen immer extremer werden.

„Zu trocken im Sommer, zu nass im Winter – das ist kein Zyklus mehr, das ist das neue Normal“, erklärt Darboven, der selbst regelmäßig vor Ort ist. Hinzu kommt: Die Bohnen werden kleiner. Und weniger Gewicht heißt weniger Erlös – bei gleichen Kosten.

Konsumenten merken nur die Spitze des Eisbergs

In den Regalen ist bislang nur ein Teil dieser Misere angekommen. Die großen Röster – Tchibo, Jacobs, Dallmayr, Melitta und Darboven – haben ihre Preise zwar erhöht, doch viele Kosten fangen sie intern auf.

Tagespreise schwanken um bis zu 30 Cent – eine nie dagewesene Volatilität. Für Röster, Händler und Supermärkte wird die Preisbildung zunehmend unkalkulierbar.

„Im Einkauf haben sich einzelne Kaffeesorten seit Anfang 2024 um bis zu sechs Euro pro Kilo verteuert“, sagt Volker Meyer-Lücke, früher Einkaufsexperte bei Dallmayr, heute Gründer des Start-ups Alrighty. Die Lager seien leer, Nachkäufe schwierig – wer Kaffee will, zahlt, was verlangt wird.

Wenn selbst Aldi nicht mehr gegensteuert

Auffällig ist, dass selbst die Preisführer am unteren Ende der Kette nicht mehr gegenhalten. Aldi Süd, mit eigener Kaffeerösterei ausgestattet, hat die Preise für seine Eigenmarken nach oben gezogen – still, aber deutlich.

Der Grund: Der Discounter kann zwar direkt verarbeiten, aber nicht gegen globale Engpässe anrösten. Wer denkt, dass die Industrie auf Marge spekuliert, liegt daneben. „Im physischen Kaffeegeschäft profitiert niemand von den hohen Preisen“, so Darboven. „Nicht die Bauern, nicht die Händler, nicht die Röster.“

Billigkaffee mit Dattelpulver

Die Not treibt mitunter skurrile Blüten. In Russland, Indien und Teilen Afrikas tauchen zunehmend gefälschte Produkte auf: gestreckter Kaffee, teils mit Mehl, Malz oder sogar Dattelpulver versetzt – Hauptsache, die Packung wiegt.

Die Internationale Kaffeeorganisation (ICO) warnt vor „Kaffeeabfällen oder anderen Dingen“ in der Lieferkette. Was heute als Randphänomen gilt, könnte morgen auch in Europa auftauchen – je weiter die Preise steigen.

Die Wahrheit hinter dem Regalpreis: Nachfrage frisst Angebot

Der zentrale Grund für das Kaffeedilemma ist schlicht: Die Welt will mehr Kaffee, als sie hat. Seit fünf Jahren übersteigt die Nachfrage das globale Angebot. Die Anbauflächen schrumpfen, vor allem in Mittelamerika.

Trotz Rekordpreisen leben die meisten Kaffeebauern weiter am Existenzminimum. Zwischen Zwischenhändlern, Logistik-Engpässen und Preiskriegen bleibt vom Aufschlag kaum etwas übrig.

Experten rechnen damit, dass ein Drittel dieser Flächen binnen 15 Jahren verschwinden wird – ohne echte Alternativen. Die Erschließung neuer Anbaugebiete ist weder kurzfristig noch klimatisch planbar.

Suez-Umwege und Frachtpreise

Als ob das nicht reicht, wird auch der Transport teurer. Wegen Angriffen auf Handelsschiffe meiden viele Reedereien den Suezkanal, nehmen den Umweg ums Kap der Guten Hoffnung – mit deutlich höherem Kraftstoffverbrauch. Für die ohnehin gestresste Supply Chain bedeutet das: längere Lieferzeiten, höhere Preise, wachsende Unsicherheit.

Wer profitiert? Niemand. Wer zahlt? Der Kunde.

„Es wird im Lebensmitteleinzelhandel nicht bei den bisherigen Preiserhöhungen bleiben“, warnt Meyer-Lücke. Und zwar nicht, weil die Röster auf zusätzliche Marge spekulieren – sondern weil die Realität am Weltmarkt sie dazu zwingt.

Selbst wenn die Konkurrenz im Regal größer scheint denn je, sei der Spielraum gering. „Wir sind in einem Markt, der kaum mehr planbar ist“, sagt der Branchenkenner.

Was das für den Verbraucher bedeutet

Die Tage, in denen Kaffee für vier Euro das Pfund zu haben war, sind vorbei – und sie kommen auch nicht zurück. Die Frage ist nicht mehr, ob der Preis weiter steigt, sondern wie schnell.

Was heute wie ein Luxusproblem klingt, könnte bald wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen: für Bäckereien, Gastronomieketten, Kantinen. Die Inflation schleicht nicht nur über Energie und Mieten – sie kommt auch durch die Kaffeetasse.

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