Ein unerwartetes Dilemma überschattet die jüngsten Wahlerfolge der Bharatiya Janata Party (BJP) und ihres charismatischen Anführers Narendra Modi. Nach einem triumphalen Sieg in der wohlhabenden und bevölkerungsreichen Region Maharashtra, wo die BJP und ihre Verbündeten über 80 Prozent der 288 Sitze der örtlichen Versammlung gewinnen konnten, schien einer glanzvollen Wintersession des Parlaments nichts im Wege zu stehen. Doch nur kurz nach diesem Wahlerfolg, am 20. November, platze eine juristische Bombe: Amerikanische Staatsanwälte erhoben Anklage gegen Gautam Adani, einen der reichsten Männer Indiens und engen Vertrauten Modis. Ihm und sieben weiteren Personen wird vorgeworfen, über 250 Millionen US-Dollar an indische Beamte gezahlt zu haben. Obwohl Adani sämtliche Vorwürfe bestreitet, bietet der Skandal der Opposition neue Angriffsfläche, ihre wiederholten Anschuldigungen gegen die angeblich verstrickte Beziehung zwischen Modi und Adani aufzugreifen. Allen voran Rahul Gandhi, Führer der Kongresspartei, fordert eine parlamentarische Untersuchung sowie Adanis Verhaftung. "Es bestätigt, was wir stets betont haben", erklärte Gandhi am 21. November vor Journalisten. Indes erlebte die Opposition einen Aufschwung in Jharkhand, einem kleineren und ärmeren Bundesstaat, der symbolisch gegen Modis angeblichen Missbrauch von Ermittlungsbehörden stand. Hier siegte die Jharkhand Mukti Morcha von Hemant Soren, der trotz Korruptionsvorwürfen und vorübergehender Inhaftierung, nun wieder die Regierungsgeschäfte übernimmt. Auch Priyanka Gandhi, Rahul Gandhis Schwester, tritt nach einem weiteren Wahlerfolg in Kerala in das Rampenlicht der nationalen Bühne, während interne Spannungen die BJP beschäftigen. Der jüngste Erfolg der BJP in Maharashtra wird weniger Modi, sondern vielmehr wohltätigen Maßnahmen der Regionalregierung und engagiertem Wahlkampf der Rashtriya Swayamsevak Sangh zugeschrieben, was die parteiinterne Diskussion über mögliche Modi-Nachfolger weiter befeuert. Dennoch bleibt die Frage, ob Modis politische Perspektive angesichts des Adani-Skandals und neuer Machtkämpfe innerhalb der Partei ins Wanken geraten könnte.