Inmitten wirtschaftspolitischer Debatten innerhalb der Ampel-Koalition erregt ein neues Grundsatzpapier des Finanzministers und FDP-Vorsitzenden Christian Lindner Aufmerksamkeit. In dem Papier wird nicht nur die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Spitzenverdiener gefordert, sondern auch ein sofortiger Stopp neuer Regulierungen, um die Wirtschaft anzukurbeln und das Vertrauen der Unternehmen sowie der Haushalte zurückzugewinnen. Mit dem Titel "Wirtschaftswende Deutschland - Konzept für mehr Wachstum und Generationengerechtigkeit" skizziert Lindner eine umfassende Wirtschaftsreform, die auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik abzielt.
Die Veröffentlichung des Papiers erfolgt zu einem diplomatisch heiklen Zeitpunkt, wenige Wochen nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck einen von der FDP abgelehnten schuldenfinanzierten Staatsfonds vorgeschlagen hatte. Zudem ließ Bundeskanzler Olaf Scholz, der ebenfalls an einer wirtschaftlichen Neugestaltung arbeitet, kürzlich ein geplantes Treffen ohne Lindner und Habeck stattfinden. Beide Vorschläge unterstreichen die Gräben innerhalb der Koalition und die Dringlichkeit wirtschaftlicher Reformen.
Lindners Plädoyer umfasst nicht nur die steuerliche Entlastung durch die Soli-Abschaffung, sondern auch den Ersatz nationaler Klimaziele durch europäische Standards, um wirtschaftlichen Schaden durch überzogene Umweltvorschriften zu vermeiden. Er lehnt zudem geplante Subventionen für den Chipkonzern Intel ab, die bisher für den Bau eines Werks in Magdeburg vorgesehen waren.
Innerhalb der Koalition gilt die bevorstehende Haushaltsentscheidung im November als richtungsweisend. Regierungssprecher Steffen Hebestreit dementierte Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der Koalition und betonte die Absicht zur weiteren Zusammenarbeit der Regierungspartner. Während die Ausgaben im Bundeshaushalt 2025 reduziert werden sollen, sieht Lindner die Schuldengrenze als Puffer zur Kompensation von Mindereinnahmen vor.
Abseits des Finanzbereichs plädiert Lindner für eine Reform der Migrations- und Arbeitsmarktpolitik. Die CSU kritisierte das Papier scharf. Sebastian Brehm, der finanzpolitische Sprecher der Partei, bezeichnete es als Ausdruck der Verzweiflung Lindners über die gegenwärtige Situation seiner Partei und die finanzielle Lage des Landes.