Ein jüngst durchgesickertes Grundsatzpapier von FDP-Chef Christian Lindner sorgt für Wirbel in der Regierungskoalition und nährt Spekulationen über ein mögliches Ende der Ampel-Regierung. Das Dokument, das eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik fordert, hat zur Spannungseskalation zwischen den Koalitionspartnern geführt. SPD und Grüne kritisieren das Papier scharf und halten es für kontraproduktiv. Laut Lindner sei das Papier durch eine Indiskretion publik geworden und hätte ursprünglich nur im innersten Kreis der Bundesregierung diskutiert werden sollen. Doch nun, da es der Öffentlichkeit zugespielt wurde, fordern Politiker der Union Neuwahlen, um das Patt zu durchbrechen.
Lindner schlägt in seinem Papier vor, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen, neue Regulierungen zu stoppen und einen Kurswechsel in der Klimapolitik einzuleiten, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Dies stellt eine deutliche Abkehr von bisherigen Positionen innerhalb der Ampel-Koalition dar. Andreas Audretsch von den Grünen bezeichnete das Papier als "Nebelkerze" und rief dazu auf, sich vordringlich um den Haushalt zu kümmern.
Die SPD zeigt sich ebenfalls kritisch. Martin Rosemann, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, unterstrich die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen statt theoretischer Papiere. Der SPD-Politiker Nils Schmid sprach von „neoliberaler Phrasendrescherei“ und kritisiert das Fehlen konkreter Antworten.
Auch abseits des Papiers gibt es Spannungen in der Koalition. Kanzler Scholz lud zum Industriegipfel ein, wobei Lindner und Habeck ausgeschlossen blieben. Währenddessen organisierte die FDP einen alternativen Gipfel mit Wirtschaftsverbänden. Lindner sieht in den Vorschlägen von Habeck, einschließlich eines kreditfinanzierten Sondervermögens, einen falschen Weg und unterstreicht die Notwendigkeit einer alternativen wirtschaftspolitischen Richtung.
Die Union nutzt die Gunst der Stunde, um die Regierung zum Rücktritt aufzufordern. Vertreter wie Thorsten Frei und Manfred Weber drücken deutlich aus, dass es an der Zeit sei, den Weg für Neuwahlen freizumachen, da ein „Durchwursteln“ der Ampel dem Land nicht mehr dienlich sei. Diese Stimmen verstärken den Druck auf die ohnehin angeschlagene Ampel-Regierung, die vor großen Herausforderungen bei der Wirtschaftsankurbelung und Haushaltssanierung steht.