22. November, 2024

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Wirecard-Prozess: Überraschungen im Musterverfahren

Wirecard-Prozess: Überraschungen im Musterverfahren

Der Auftakt des Musterverfahrens um die Entschädigungsansprüche der Wirecard-Aktionäre am Bayerischen Obersten Landesgericht lieferte eine unerwartete Entwicklung. Der 1. Zivilsenat stellte die Qualität der Vorlage des Münchner Landgerichts zu den Feststellungszielen in Frage. Präsidentin Andrea Schmidt bemängelte, dass der Beschluss fachlich ungenügend sei.

Im Fokus des Verfahrens stehen die Ansprüche von Zehntausenden geschädigter Aktionäre. Die Insolvenz des ehemaligen DAX-Unternehmens Wirecard hatte 2020 Milliardenverluste zur Folge. Rund 50.000 Investoren meldeten Forderungen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro beim Insolvenzverwalter Michael Jaffé an. 8.500 von ihnen reichten Klage ein, während weitere 19.000 Aktionäre ihre Forderungen ohne Klageeinreichung geltend machten. Als Musterkläger fungiert ein hessischer Bankkaufmann, der mit Wirecard-Aktien hohe Verluste erlitt.

Die Hoffnungen der Anleger beruhen auf einer Entschädigung durch vorsätzlich unzutreffende Angaben. Dabei steht der frühere Vorstandsvorsitzende Markus Braun an erster Stelle der Beklagtenliste, gefolgt von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz beschrieb die Aktionärsstimmung als angespannt.

Das Musterverfahren soll der juristischen Aufarbeitung den Weg ebnen und das Landgericht München von der Bearbeitung einzelner Klagen entlasten. Eine zentrale Aufgabe des Verfahrens ist die Prüfung der Vorwürfe gegen Wirecard und EY. Doch die Senatsvorsitzende kritisierte die allgemeine Formulierung der Feststellungsziele durch das Landgericht und bemängelte fehlende Details zur Entkräftung der falschen Informationen.

Im Zusammenhang mit den Schließungen der Wirecard fehlen weiterhin 1,9 Milliarden Euro, die auf philippinischen Konten hätten liegen sollen. Die Vorwürfe gegenüber EY betreffen unzureichende Bilanzkontrollen, während die Wirtschaftsprüfer jegliche Haftung für Schadensersatz ablehnen.

Trotz der kritisierten Verfahrensvorlage hegen die geschädigten Aktionäre weiterhin Hoffnung. Der Vertreter des Musterklägers hat ein 800-seitiges Dokument mit Feststellungszielen eingereicht, um die Gerichtsverhandlungen voranzutreiben. Ein Urteil wird in den nächsten Jahren erwartet, und ein Aktionär beantragte, das Verfahren an das Münchner Oberlandesgericht zu übertragen.