Es ist das wohl entscheidende Kapitel in der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Die Ministerpräsidenten der Länder treffen sich in Leipzig, um über den Reformstaatsvertrag zu entscheiden – ein Dokument, das die Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandradio maßgeblich bestimmen könnte.
Doch die geplante Reform stößt bereits im Vorfeld auf erbitterte Diskussionen, insbesondere die vorgeschlagene Erhöhung des Rundfunkbeitrags hat das Potenzial, die Verhandlungen scheitern zu lassen.
Seit Jahren wird darüber debattiert, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk reformiert werden kann, um ihn fit für die Zukunft zu machen. Mit einem Budget von rund zehn Milliarden Euro pro Jahr ist das System das teuerste weltweit.
Doch die Finanzierungsstruktur, die sich hauptsächlich auf den Rundfunkbeitrag stützt, wird zunehmend infrage gestellt. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) empfiehlt eine Erhöhung um 58 Cent, um den gestiegenen Finanzbedarf zu decken.
Doch genau diese Erhöhung ist für einige Bundesländer nicht akzeptabel. Hamburg beispielsweise hat bereits angedeutet, die Reform nicht mitzutragen, wenn der Beitrag nicht erhöht wird.
Reform oder Stillstand?
Offiziell geht es bei der Reform nicht nur um das Sparen. Vielmehr sollen der Auftrag und die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks modernisiert werden, um sicherzustellen, dass die Programme weiterhin alle Bürger ansprechen.
Doch die Einsparungspläne stehen im Fokus. Laut dem Reformvorschlag sollen einige der rund 800 Social-Media-Kanäle der ARD gestrichen und die Kompetenzen der Landesrundfunkanstalten gebündelt werden. Sogenannte Kompetenzzentren für Themen wie Gesundheit, Verbraucher und Klima sollen Doppelarbeit verhindern und für effizientere Abläufe sorgen.
Trotz dieser Ansätze kritisieren die Intendanten der Sender den Reformvorschlag. Sie argumentieren, dass die vorgeschlagenen Einsparungen zulasten der Qualität und Vielfalt des Programms gehen könnten.
ARD-Vorsitzender Kai Gniffke warnte, dass die Kürzungen insbesondere bei kleineren Sendern zu einem spürbaren Verlust für die Zuschauer führen könnten. Doch die Kritiker halten dagegen: Wer an allen alten Strukturen festhält, riskiert am Ende alles zu verlieren.
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Was steht auf dem Spiel?
Besonders kontrovers wird über die sogenannten Spartenkanäle diskutiert. 3sat könnte mit Arte verschmolzen werden, während über die Unterhaltungskanäle One und ZDFneo kaum gesprochen wird – trotz ihrer fraglichen Relevanz.
Auch im Radiobereich sind Einsparungen geplant: Bis zu 20 Radiokanäle sollen gestrichen werden. Doch auch hier stellt sich die Frage, ob solche Kürzungen wirklich die Lösung sind oder lediglich eine weitere Schwächung des öffentlich-rechtlichen Angebots bedeuten.
Ein weiterer Streitpunkt ist die sogenannte „Presseähnlichkeit“ der digitalen Angebote von ARD und ZDF. Verlage kritisieren, dass die öffentlich-rechtlichen Sender durch ihre umfangreichen Textangebote in Konkurrenz zu den privaten Medien treten.
ARD-Vorsitzender Gniffke hat den Verlagen eine „Selbstverpflichtung“ angeboten: So könnten öffentlich-rechtliche Online-Angebote stärker auf private Medien verlinken. Doch der Vorschlag stieß auf Ablehnung. Der Verlegerverband BDZV fordert stattdessen eine klare gesetzliche Regelung, die die Textangebote von ARD und ZDF begrenzt.
Ungewisse Zukunft
Das größte Risiko liegt jedoch nicht in den Kürzungen, sondern in der Frage, ob der Reformstaatsvertrag überhaupt verabschiedet wird. Es gibt drei mögliche Szenarien: Entweder der Reformstaatsvertrag und der Finanzierungsstaatsvertrag werden beide verabschiedet, was die Erhöhung des Rundfunkbeitrags und mittelfristig Entlastungen durch die Reform ermöglicht – ein eher unwahrscheinliches Szenario.
Oder nur der Reformstaatsvertrag geht durch, was die Rundfunkanstalten vermutlich dazu zwingen würde, erneut vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um die Erhöhung durchzusetzen. Oder aber beide Verträge scheitern, was die Reform gänzlich blockieren würde.
Sollte die Reform scheitern, steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor einer ungewissen Zukunft. Die Legitimation des Systems könnte weiter erodieren, und politische Gegner, die eine Abschaffung oder drastische Reduzierung des Systems fordern, könnten die Oberhand gewinnen.
Für viele Zuschauer und Beitragszahler stellt sich dann die Frage, ob ein über Jahrzehnte gewachsenes und bisher unverzichtbares Medienangebot in seiner heutigen Form überhaupt noch Bestand haben kann.
Eine moderate Reform – oder das Ende?
Fakt ist: Der Reformvorschlag der Rundfunkkommission ist keine Revolution. Er bleibt in vielen Punkten moderat und lässt die grundsätzliche Struktur des Systems unberührt.
Dennoch ist er ein wichtiger Schritt, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfähig zu machen. Wenn es nicht gelingt, diesen Schritt jetzt zu gehen, droht langfristig der Verlust einer der größten öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaften der Welt.
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