Im Jahr 2024 wurden in Deutschland Windkraftanlagen mit einer Leistung von über 14.000 Megawatt genehmigt – ein bisher unerreichter Höchstwert. Wirtschaftsminister Robert Habeck kann damit einen Rekord verbuchen, bevor er sich nach der Bundestagswahl im Februar aus dem Amt verabschiedet.
Doch die eigentliche Überraschung: Nordrhein-Westfalen, ein CDU-geführtes Bundesland, dominiert die Rangliste der Genehmigungen und lässt selbst grün regierte Vorzeigeregionen wie Baden-Württemberg weit hinter sich.
Mit 154 neu in Betrieb genommenen Windrädern setzte sich NRW im vergangenen Jahr an die Spitze der bundesweiten Statistiken. Besonders beeindruckend ist die genehmigte Leistung von über 4000 Megawatt – fast doppelt so viel wie im zweitplatzierten Niedersachsen und dreizehnmal mehr als in Baden-Württemberg.
Rekordzahlen in einem unerwarteten Bundesland
Der Aufstieg Nordrhein-Westfalens zum Spitzenreiter beim Windkraft-Ausbau ist bemerkenswert. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat sich zwar nicht explizit als Windkraft-Förderer positioniert, doch die von Habeck vorangetriebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen machten es nahezu unmöglich, den Ausbau zu bremsen.
„Der Windkraft-Ausbau genießt baurechtliche Privilegien, die wir als Genehmigungsbehörde umsetzen müssen“, erklärt Michael Stickeln, Landrat des Kreises Höxter, einer Region, die allein so viele Windräder genehmigte wie Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland zusammen.
Das Ergebnis: NRW trägt fast ein Drittel zu den neuen Genehmigungen bei und ebnet damit den Weg für die Erfüllung der ambitionierten Ziele des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).
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EEG-Ziele in Reichweite
Bis 2030 soll laut EEG eine Gesamtleistung von 115 Gigawatt Windkraft installiert sein. Aktuell kommen die rund 28.766 Windräder in Deutschland auf etwa 63 Gigawatt. Mit den Genehmigungszahlen von 2024 rückt dieses Ziel in greifbare Nähe – vorausgesetzt, die Projekte werden auch umgesetzt.
Parallel dazu zeigt sich ein ähnlich dynamisches Wachstum bei der Solarkraft, die im vergangenen Jahr 17 Gigawatt Leistung zulegte. Auch hier ist das Ziel einer Verdopplung bis 2030 erreichbar, vorausgesetzt, die politischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen stimmen.
Herausforderungen bei der Integration
Trotz der beeindruckenden Fortschritte warnt die Branche vor infrastrukturellen Engpässen.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA Power Systems) und der Bundesverband Windenergie (BWE) fordern eine Beschleunigung des Netz- und Speicherausbaus.
„Wir brauchen eine Netzausbauoffensive sowie eine Modernisierung der gesamten Infrastruktur, um diese Rekordvolumina zu integrieren“, betont BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek.
Besonders die Integration der wetterabhängigen Stromproduktion bleibt eine Herausforderung. Ohne ausreichend Speicher- und Netzkapazitäten drohen Abschaltungen bei Überproduktion – ein Problem, das Experten bereits bei der Photovoltaik beobachten.
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Politischer Gegenwind
Während die Befürworter des Windkraft-Ausbaus die erzielten Rekorde feiern, gibt es auch kritische Stimmen. AfD-Chefin Alice Weidel sprach von „Windmühlen der Schande“ und kündigte an, im Falle einer Regierungsübernahme geplante Projekte im Reinhardswald rückgängig machen zu wollen.
Ob solche Ankündigungen angesichts der aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen realistisch sind, bleibt jedoch fraglich.
Selbst innerhalb der CDU gibt es Stimmen, die vor einem einseitigen Fokus auf Windkraft warnen. Dennoch ist unter einem potenziellen Kanzler Friedrich Merz kein Kurswechsel zu erwarten, da die gesetzlichen Ausbauziele im EEG fest verankert sind.