Europa steht vor einer sicherheitspolitischen Zäsur. Während die USA ihr Engagement in der Ukraine überdenken und sich in Teilen aus der europäischen Verteidigung zurückziehen, schlägt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine strategische Neuausrichtung vor: Die „Wiederbewaffnung Europas“. Ein ambitionierter Plan, der in dieser Woche beim EU-Gipfel in Brüssel vorgestellt werden soll.
Mehr Eigenständigkeit in der Verteidigung – ein Paradigmenwechsel
Seit Jahrzehnten verlässt sich Europa in sicherheitspolitischen Fragen stark auf die USA und die NATO. Doch mit dem Ukraine-Krieg und der ungewissen politischen Lage in Washington wächst die Erkenntnis: Europa muss sich selbst verteidigen können.
Von der Leyen betonte in London, dass nach Jahren der Unterfinanzierung nun eine Kehrtwende notwendig sei. Ziel sei es, die Verteidigungsausgaben deutlich und langfristig zu erhöhen.
Ein zentraler Punkt des Plans ist die Entwicklung fortschrittlicher Luftabwehrsysteme. Diese sollen nicht nur die Ukraine gegen russische Angriffe stärken, sondern auch die Abwehrfähigkeit Europas insgesamt verbessern.
Ein gemeinsames europäisches Rüstungsprojekt könnte dabei die Abhängigkeit von US-Technologie verringern und zugleich eine koordinierte europäische Rüstungsindustrie fördern.
Ein „stählernes Stachelschwein“ als Abschreckung
Ein Satz sorgte besonders für Aufsehen: Von der Leyen sprach davon, die Ukraine in ein „stählernes Stachelschwein zu verwandeln, das für potenzielle Invasoren unverdaulich ist.“

Die Botschaft ist klar: Russland soll von weiteren Aggressionen abgehalten werden – durch massive Aufrüstung und eine nachhaltige Sicherheitsstrategie. Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien von höchster Priorität. Dabei setzt die EU auf eine Mischung aus militärischer Unterstützung, wirtschaftlicher Stabilisierung und politischer Integration.
Europas Führungsmächte treiben den Wandel voran
Die neue Verteidigungsstrategie wird nicht isoliert entwickelt. Besonders Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premierminister Keir Starmer treiben das Thema voran. Beide plädieren für eine engere europäische Kooperation in Verteidigungsfragen, auch über die EU hinaus.
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU, lobte das Engagement von Macron und Starmer und forderte Deutschland auf, eine aktivere Rolle zu übernehmen. Tatsächlich hinkt Deutschland bei der Umsetzung der „Zeitenwende“ hinterher. Während andere EU-Staaten bereits ihre Verteidigungsausgaben massiv erhöht haben, verläuft die Umsetzung in Berlin schleppend.
Eine Zeitenwende mit Herausforderungen
Die Idee der Wiederbewaffnung Europas ist nicht unumstritten. Kritiker warnen vor einer neuen Rüstungswelle und den enormen Kosten für die Steuerzahler. Auch innerhalb der EU gibt es Uneinigkeit über die Umsetzung. Während osteuropäische Staaten wie Polen und die baltischen Länder eine schnelle und weitreichende Militarisierung fordern, zeigen sich andere Staaten zögerlicher.
Zudem bleibt die Frage, inwiefern die neue Sicherheitsstrategie mit der NATO abgestimmt werden kann. Eine parallele Militärstruktur zur Allianz birgt Risiken, könnte aber auch dazu führen, dass Europa strategisch eigenständiger wird.
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