02. April, 2025

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Wie Hollywood sich Trumps zweiter Amtszeit anpasst

Studios und Streamingdienste streichen queere, diverse und politisch progressive Inhalte – nicht per Gesetz, sondern aus Angst. Das Filmgeschäft rückt nach rechts, weil es sich wirtschaftlich und politisch rechnet.

Wie Hollywood sich Trumps zweiter Amtszeit anpasst
Zensur durch die Hintertür: Studios streichen queere und progressive Inhalte, obwohl es kein offizielles Verbot gibt – die Angst vor politischem Backlash unter Trump wirkt stärker als jede Richtlinie.

Politischer Druck, ökonomischer Reflex

Es braucht kein offizielles Verbot, wenn Angst reicht. In den Filmstudios von Los Angeles weht seit der Wiederwahl Donald Trumps ein anderer Wind – kälter, vorsichtiger, berechnender.

Kreative berichten von gestrichenen Drehbüchern, zensierten Figuren und stillschweigenden Richtungswechseln. Diversity und Gleichstellung – das, was Hollywood nach der #MeToo-Ära noch zum Aushängeschild machte – ist auf dem Rückzug.

Keine Memos, keine Vorschriften – aber klare Signale: In Meetings wird zunehmend „race-blind“ gecastet. Studio-Notizen mahnen zu „mehr Mainstream“ und „weniger Reibung“. Der Begriff „breite Zielgruppe“ hat plötzlich einen ganz anderen Beigeschmack.

Die Trump-Doktrin: Ideologie durch Marktlogik

Worum es eigentlich geht, ist kein neues Thema. Trump hat nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber progressivem Hollywood gemacht. Schon in seiner ersten Amtszeit legte sich der Präsident mit Disney, Netflix & Co. an – diesmal folgt nicht nur Rhetorik, sondern Strategie:

  • Die Federal Communications Commission (FCC) prüft DEI-Maßnahmen in Medienunternehmen.
  • Amazon streamt bald Trumps „The Apprentice“ – und produziert parallel eine Dokumentation über Melania Trump.
  • Disney fährt politische Inhalte zurück – vor allem jene, die als zu liberal gelten.

All das geschieht nicht zufällig, sondern im Rahmen eines politischen Großprojekts: der kulturellen „Normalisierung“ eines Amerikas ohne Wokeness, ohne progressive Experimente. Und Hollywood scheint bereit zu liefern – nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst, Marktanteile zu verlieren.

Aus Vielfalt wird Vorsicht: Drehbuchautoren berichten, dass Diversity-Themen zunehmend unerwünscht sind – ein klarer Bruch mit der DEI-Offensive, die nach #MeToo in der Branche verankert wurde.

Schweigen, um weiter beschäftigt zu bleiben

Drehbuchautorin Zoe Marshall, bekannt durch Serien wie Elsbeth, berichtet offen davon, dass queere oder sozialkritische Storylines systematisch abgelehnt werden. Nicht offen – aber deutlich.

„So explizit wie jetzt war es noch nie“, sagt sie.

Und sie ist nicht allein: Zehn Produzenten, Agenten und Kreative äußerten sich gegenüber Business Insider – anonym, weil Jobs auf dem Spiel stehen.

Besonders drastisch: Ein trans-zentrierter Dokumentarfilm wurde gestoppt, weil die beteiligten Personen Angst vor öffentlichem oder politischem Backlash hatten. Rechtsanwälte berichten von Investoren, die Projekte ablehnen, wenn sie zu „progressiv“ wirken. Ein Mandant erhielt Studio-Feedback, ein trans Charakter solle bitte nicht „zu sympathisch“ wirken.

Vom Kulturkampf zum Investitionsfilter

Was hier passiert, ist mehr als nur ein ästhetischer Wandel. Es ist ein Umbau des gesamten kreativen Risikobegriffs.
Früher war kontrovers gut – heute ist es teuer. Streamer und Studios kämpfen mit sinkenden Abos, schrumpfenden Werbebudgets und wachsender politischer Beobachtung. Die logische Konsequenz: Inhalte, die möglichst niemanden verärgern.

Und wer nicht verärgert, gewinnt: Konservative Inhalte boomen, faith-based Content wird zur profitablen Nische. Serien mit religiösem oder traditionellem Familienfokus lassen sich günstig produzieren, brauchen keine Superstars – und finden treues Publikum, auch außerhalb der USA.

Netflix und Amazon haben 2024 bereits mehrfach in dieses Segment investiert.

Die Rückkehr der Selbstzensur

Der Wandel ist nicht neu, aber er hat sich beschleunigt. Unter Trump 1.0 wehrte sich Hollywood noch lautstark: Disney-Chef Bob Iger trat öffentlichkeitswirksam zurück, Serien wie The Good Fight oder Will & Grace setzten bewusst politische Statements. Jetzt ist es still geworden. Der neue Reflex heißt: Vermeidung statt Haltung.

Ein Produzent berichtet, er habe ein Projekt gecancelt, weil es „nicht der richtige Zeitpunkt für Identitätspolitik“ sei. Eine Beraterin nennt es „Selbstkorrektur durch Unsicherheit“. Niemand will auf der Liste stehen, die es offiziell gar nicht gibt.

Shane Gillis als Gradmesser des neuen Klimas

Ein Name steht exemplarisch für den Stimmungsumschwung: Shane Gillis, Komiker mit umstrittenem Ruf, war 2019 noch bei Saturday Night Live gefeuert worden – wegen rassistischer Äußerungen. Heute zählt er zu den heißesten Comedy-Acts auf Netflix. Was früher ein Karriereende bedeutete, ist nun Ausweis von „Edginess“. Die Botschaft an Produzenten: Rechts ist kein Makel mehr – es ist Marktpotenzial.

Das Ende der Eindeutigkeit

Für viele Kreative ist diese neue Ära ein Rückschritt – für einige eine Befreiung. Die klare Frontstellung der Trump-Jahre weicht einer verwirrenden Grauzone: Zwischen künstlerischer Freiheit und politischer Selbstzensur. Zwischen Profitinteresse und moralischer Verantwortung.

Hollywood hat sich nicht öffentlich umentschieden – es hat sich still weggeduckt.

Die Branche folgt der Logik des Moments: Reizthemen vermeiden, Zielgruppen vergrößern, politisch nicht angreifbar sein. Nur dass genau dieser Reflex selbst politisch ist – und zeigt, wie stark Kultur von Macht abhängt.

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