In einem beschaulichen alawitischen Städtchen an Syriens Mittelmeerküste sitzt Abu Hassan al-Hamawi, ein bärtiger Islamist und militärischer Befehlshaber von Hayat Tahrir al-Sham. Der Mann, der maßgeblich für die jüngsten Eroberungen der Gruppierung in Syrien verantwortlich ist, spricht zum ersten Mal öffentlich seit dem Sturz des Assad-Regimes. Al-Hamawi betont in seinem Interview mit The Economist das Bestreben, die Minderheiten des Landes zu schützen und die zahllosen Milizen unter staatliche Kontrolle zu bringen. Trotz seiner ruhigen Art ist er eine treibende Kraft hinter der Entwicklung der Drohneneinheit der Gruppe, die bewaffnete Versionen in Idlib herstellt. Die Waffen tragen den von ihm gewählten Namen Shaheen, was auf Arabisch Falke bedeutet. Vor wenigen Tagen feierte er den Sieg in Aleppo, und nun blickt er auf Damaskus. Latakia, das Herzland der alawitischen Minderheit, steht unter Kontrolle seiner Gruppierung. Trotz der Vorbehalte der Alawiten, die mit dem gestürzten Diktator assoziiert werden, versucht al-Hamawi, ihnen Sicherheit und Schutz zuzusichern. Ein allgemeiner Amnestieplan für Soldaten des früheren Regimes wurde verkündet, doch Ausnahmen für Kriegsverbrecher und Folterer bleiben bestehen. Al-Hamawi plant, die Milizen in einen einigen Armee unter dem Verteidigungsministerium zu integrieren. Dennoch warnt er davor, dass Dschihadisten, die den Westen angreifen wollen, keinen Platz in der neuen Ordnung haben werden. Obwohl Al-Hamawi versichert, dass die Scharia nicht in einer unbarmherzigen Weise umgesetzt wird, bleibt die Skepsis vieler Syrer. Westliche Beobachter sind ebenfalls skeptisch, da die Gruppierung in vielen Ländern immer noch als terroristisch eingestuft wird. Wie sich die Lage entwickelt und ob Hayat Tahrir al-Sham den Worten Taten folgen lässt, wird die kommenden Monate zeigen.