Windräder in Schweden, Solarpanels in Portugal – Volkswagen setzt auf erneuerbare Energien, um seinen Elektroautos einen grüneren Anstrich zu verleihen.
Das Ziel: Kunden sollen ihre E-Autos bilanziell CO₂-neutral nutzen können. Doch die Wahrheit hinter den Zahlen ist komplex, und nicht jeder ist überzeugt.
„Grüner“ Strom aus ganz Europa
Im vergangenen Jahr hat VW europaweit in 18 Fotovoltaikanlagen und acht Windparks investiert – von Finnland bis Spanien. Diese Projekte sollen genug Ökostrom erzeugen, um den Graustromverbrauch der hauseigenen ID-Flotte rechnerisch auszugleichen.
Allein 2023 erzeugten die Anlagen 1,1 Terawattstunden Ökostrom, so das Unternehmen.
Doch der Strom fließt nicht direkt in die Ladestationen, an denen Kunden ihre E-Autos aufladen. Stattdessen erhält VW sogenannte Herkunftszertifikate, die die Einspeisung von Grünstrom ins europäische Netz belegen.
„Im europäischen Strommarkt lässt sich nicht steuern, welche Elektronen genau zum Verbraucher gelangen. Wir setzen daher auf diese Bilanzierungsmethode, um die Energiewende zu fördern“, erklärt Philipp Heck, Leiter der Volkswagen Kraftwerk GmbH.
Diese Strategie ist nicht neu. Auch bei Haushaltskunden funktionieren Ökostromtarife meist so: Wer einen Vertrag für erneuerbare Energie abschließt, sorgt dafür, dass eine entsprechende Menge Strom aus regenerativen Quellen ins Netz eingespeist wird – auch wenn physisch Strom aus einem Kohlekraftwerk durch die Steckdose fließt.
Was ist mit dem CO₂-Rucksack der Batterien?
Die Diskussion über die Klimafreundlichkeit von Elektroautos dreht sich häufig um deren CO₂-Bilanz im Betrieb. Doch ein oft übersehener Faktor ist die Produktion.
Insbesondere die Herstellung von Batterien belastet die Umwelt erheblich. Ein VW ID.4 bringt laut Unternehmensangaben bereits einen „CO₂-Rucksack“ von 13 Tonnen mit, bevor er überhaupt vom Hof rollt.
Volkswagens eigene Berechnungen zeigen: Erst nach 97.000 Kilometern erreicht ein ID.4 mit dem durchschnittlichen EU-Strommix eine bessere Klimabilanz als ein Diesel. Bei konsequenter Ökostrom-Nutzung sinkt dieser Wert auf 66.000 Kilometer. Trotzdem bleibt klar: Die Produktion eines Elektroautos ist klimaschädlicher als die eines Verbrenners.
„Die Vorteile zeigen sich erst im gesamten Lebenszyklus“, betont Philipp Heck.
Laut einer TÜV-zertifizierten Ökobilanz kommt ein ID.4 nach zehn Jahren auf einen Gesamtausstoß von 22,4 Tonnen CO₂ – vorausgesetzt, er wird ausschließlich mit Ökostrom betrieben. Zum Vergleich: Ein Diesel-Tiguan stößt in der gleichen Zeit 45,3 Tonnen aus.
Mercedes gibt den Takt vor
Während Volkswagen den CO₂-Fußabdruck seiner Kunden ausgleicht, geht Konkurrent Mercedes-Benz einen Schritt weiter. Seit 2022 laufen alle Werke des Stuttgarter Herstellers bilanziell CO₂-neutral. Der benötigte Strom kommt aus eigenen Windparks, Solaranlagen und Ökostromverträgen.
Doch auch Mercedes verlässt sich darauf, dass die Kunden selbst aktiv werden und etwa Ladekarten mit Grünstrom buchen. Der eigens entwickelte Dienst „Mercedes me Charge“ soll das erleichtern.
Ein weiterer Unterschied: Mercedes verzichtet auf den Kauf von Herkunftszertifikaten, die für viele Verbraucher nach „grünem Etikettenschwindel“ aussehen.
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Eine teure PR-Offensive?
Volkswagens Engagement für Ökostrom ist zweifellos ambitioniert. Doch die Bemühungen haben auch einen Haken. Der Autobauer betreibt nach wie vor zwei eigene fossile Kraftwerke in Wolfsburg, die erst im vergangenen Jahr von Kohle auf Gas umgestellt wurden.
„Die Umstellung war ein wichtiger Schritt, aber keine endgültige Lösung“, räumt Heck ein.
Nun diskutiere man über alternative Konzepte wie Großwärmepumpen oder grüne Brennstoffe. „Im Winter brauchen wir die Kraftwerke aber weiterhin, allein schon, um die Netzstabilität zu gewährleisten.“