01. Februar, 2025

Politik

Wie ein Gutachten zum AfD-Verbot den juristischen Diskurs entgleisen lässt

Fehlerhafte Annahmen, politisches Kalkül und juristisches Neuland: Die Stellungnahme zum AfD-Verbot sorgt für Kritik und wirft grundlegende Fragen zur Verfassungstreue und Meinungsfreiheit auf.

Wie ein Gutachten zum AfD-Verbot den juristischen Diskurs entgleisen lässt
Die Berufung auf umstrittene juristische Konzepte wie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung“ im AfD-Gutachten wirft die Frage auf, ob hier Rechtsstaatlichkeit oder Wahlkampftaktik im Vordergrund steht.

Ein umstrittenes Gutachten im Bundestagswahljahr

Mitten im Bundestagswahlkampf sorgt ein Gutachten von 17 Rechtswissenschaftlern für Aufsehen. Ihr Ziel: die rechtliche Grundlage für ein Verbot der AfD zu legen.

Doch statt mit fundierten Argumenten überzeugt das Papier mit fragwürdigen Annahmen, politischen Fehlinterpretationen und einer juristischen Konstruktion, die selbst für erfahrene Staatsrechtler Neuland ist.

Besonders brisant: Die Stellungnahme stützt sich an zentraler Stelle auf längst widerlegte Behauptungen. Ein juristisches Eigentor oder gezielte Wählermanipulation?

Widerlegte „Fakten“ als Grundlage für Verfassungsbruch?

Der zentrale Streitpunkt des Gutachtens ist die Berufung auf ein sogenanntes „Geheimtreffen in Potsdam“. Laut den Verfassern habe die AfD dort rassistische Ziele formuliert, die klar gegen die Würde des Menschen verstoßen würden.

Doch genau diese Behauptung wurde vom Enthüllungsportal Correctiv bereits vor Monaten zurückgezogen. Vor Gericht stellte Correctiv klar, dass keine rechts- oder grundgesetzwidrigen Pläne diskutiert wurden. Dennoch klammern sich die Verfasser des Gutachtens an diese Version und machen sie zum Herzstück ihres Arguments.

„Dieser Umgang mit Fakten wirft Fragen zur wissenschaftlichen Seriosität auf“, sagt eine Verfassungsexpertin, die anonym bleiben möchte.

Die juristische Herleitung sei nicht nur schwach, sondern untergrabe das Vertrauen in rechtsstaatliche Prozesse.

Das AfD-Verbotsgutachten stützt sich auf widerlegte Aussagen eines Correctiv-Berichts – ein fragwürdiges Fundament für einen potenziellen Präzedenzfall im deutschen Rechtsstaat.

Remigration: Rechtlich legitim oder verfassungswidrig?

Besonders die Forderung nach „Remigration“ wird von den Juristen als verfassungsfeindlich gewertet. Doch genau hier zeigt sich die Schwäche des Gutachtens.

Aussagen wie „Remigration ist das Gebot der Stunde“ oder „Wir haben einen ‚Geh-heim‘-Plan“ werden aus dem Kontext gerissen und pauschal als Angriff auf die Demokratie interpretiert.

Das Problem: Die Idee der Rückführung ausreisepflichtiger Migranten ist keine Erfindung der AfD, sondern seit Jahren Teil der politischen Debatte – auch in anderen Parteien.

Die juristische Schlussfolgerung, dass solche Aussagen das Demokratieprinzip verletzen, wird von Kritikern als überzogen gewertet. „Ein solch drastischer Eingriff wie ein Parteiverbot muss auf rechtlich einwandfreien Füßen stehen“, betont ein Staatsrechtler. „Der Maßstab darf nicht die politische Stimmungslage sein.“

Ein juristischer Drahtseilakt mit politischem Risiko

Die Stellungnahme argumentiert mit dem umstrittenen Konzept der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“.

Dieser Begriff, der vom Verfassungsschutz eingeführt wurde, ist jedoch rechtlich nicht abschließend geklärt. Kritiker bemängeln, dass die Verfasser des Gutachtens hier eine schwache Grundlage nutzen, um drastische Maßnahmen zu rechtfertigen.

Christian Wirth, verfassungsrechtlicher Sprecher der AfD, sieht darin eine „Auftragsarbeit der Altparteien“. Seiner Meinung nach geht es weniger um Rechtsstaatlichkeit als um ein politisches Signal im Bundestagswahlkampf. „Das Gutachten dient der Wählertäuschung und entwertet die Prinzipien des Grundgesetzes“, so Wirth.


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Ein Verbot mit Signalwirkung – aber in welche Richtung?

Ob das Gutachten tatsächlich die Grundlage für ein Verbotsverfahren liefert, bleibt fraglich. Der Bundestag will noch vor den Neuwahlen im Februar über den Antrag beraten.

Doch die Voraussetzungen für ein Verbot sind hoch: Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass ein Parteiverbot nur in extremen Ausnahmefällen möglich ist. Bisher gibt es keine Hinweise, dass diese Schwelle im Fall der AfD erreicht wurde.