Alexander Meier* erinnert sich noch gut an das Gefühl, als er im Frühjahr 2021 die ersten Gewinne mit kanadischen Pennystocks verbuchte. In einer Telegram-Gruppe für Börsentipps wurden ihm Aktien mit Traumrenditen versprochen – oft von Firmen, die kaum jemand kannte und die an den großen Börsen unauffällig im „Pennystock-Bereich“ dümpelten.
Doch die Euphorie wich der Ernüchterung: Heute verzeichnet Meier Verluste von rund 60.000 Euro. Experten warnen davor, solchen Empfehlungen ungeprüft zu folgen, denn dubiose Praktiken wie die „Pump-and-Dump“-Masche sind weit verbreitet.
Der Einstieg ins Telegram-Glücksspiel
Die Coronapandemie brachte weltweit neue Anleger an die Börsen, die vor allem über soziale Medien auf Finanztipps stießen. Meier, der während dieser Zeit in die Telegram-Gruppe von Karsten Busche eintrat, sah schnell die ersten positiven Ergebnisse.
„Die Aktien stiegen, und ich dachte, hier läge das große Geld“, erinnert sich Meier.
Doch das System, auf das er sich einließ, erwies sich als riskant: Die empfohlenen Aktien waren oft hochspekulative Pennystocks, deren Kurse so volatil waren, dass die Gewinnchancen sich ebenso schnell in Luft auflösten, wie sie entstanden.
Pennystocks, deren Kurse unter einem kanadischen Dollar liegen, gelten als besonders anfällig für Manipulationen, da sie meist geringe Handelsvolumina aufweisen und ihre Kursentwicklung leichter zu beeinflussen ist.
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Die Gruppe versprach schnelle Gewinne, doch viele Anleger verloren hier hohe Beträge – nicht selten im fünfstelligen Bereich.
Pump-and-Dump
Das Problem liegt oft in der sogenannten „Pump-and-Dump“-Strategie, bei der der Kurs einer Aktie künstlich in die Höhe getrieben wird, indem falsche oder übertriebene Erfolgsaussichten verbreitet werden.
Die Initiatoren solcher Gruppen besitzen selbst Anteile und verkaufen, sobald der Kurs durch die Käufe gutgläubiger Anleger steigt – mit Gewinn, während die neu eingestiegenen Investoren ihre Verluste realisieren müssen.
Das prominenteste Beispiel für diese Strategie ist die von „The Wolf of Wall Street“ bekannte Firma Stratton Oakmont. Auf Telegram ist dieses Phänomen ebenfalls verbreitet: Studien fanden in kürzester Zeit Hunderte solcher Fälle, die oft in anonymen Gruppen organisiert werden.
Laut Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sind Pennystocks besonders gefährdet, da deren geringes Handelsvolumen Kursmanipulationen vereinfacht.
Falsche Versprechungen und zweifelhafte Empfehlungen
Auch in der Telegram-Gruppe von Karsten Busche finden sich solche Muster. Meier folgte den Empfehlungen Busches, der regelmäßig kanadische Bergbauaktien vorstellte, darunter den Wert „Lithium South Development“.
Diese Aktie sollte laut Busche zu einem „Weltklasse-Lithiumprojekt“ aufsteigen. Tatsächlich stieg der Kurs anfangs leicht, doch dann setzte der Absturz ein. Heute notiert die Aktie rund 80 Prozent unter Busches Empfehlungskurs.
Rückblickend wirken die Anpreisungen optimistisch, ja nahezu irreführend.
Eine Offenlegung möglicher Interessenkonflikte machte Busche in einem angehefteten Dokument: „Wir können Long- oder Short-Positionen in den beschriebenen Wertpapieren halten.“
Doch Details dazu, welche Positionen Busche genau hielt, fehlten. Für Anleger wie Meier ein riskantes Spiel.
Finanzaufsicht und Verbraucherschützer warnen
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin und die Verbraucherzentralen raten von Tipps in sozialen Medien und Foren ab.
„Nicht alle Tippgeber sind seriös oder fachkundig, und einige verfolgen auch unredliche Ziele“, warnt die BaFin.
Für die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ist klar: Die Gefahr von Kursmanipulationen ist bei Pennystocks besonders hoch. Nauhauser erklärt: „Wer in solche Aktien investiert, muss sich der Risiken bewusst sein. Kleinste Veränderungen können hier massive Kursausschläge bewirken.“
Busche selbst weist jede Schuld von sich und betont, dass er seine Tipps „nach bestem Wissen und Gewissen“ abgebe und die Anleger für ihre Entscheidungen selbst verantwortlich seien.
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Doch für die geschädigten Anleger klingt das wie Hohn. Trotz der Warnungen rufen Fälle wie dieser die Finanzaufsicht auf den Plan. Strengere Regeln oder engmaschigere Überwachung sind jedoch bislang nicht erlassen worden.
Vertrauen in soziale Medien – ein teurer Fehler?
Meiers Geschichte steht beispielhaft für zahlreiche Fälle, in denen neue Anleger, angelockt durch die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten des Aktienhandels und die „Insider-Tipps“ auf Telegram, in eine Abwärtsspirale gerieten. Die Verheißung schneller Gewinne machte ihn blind für die Risiken.
Die Warnung ist klar: Derartige Plattformen sind keine sicheren Informationsquellen für den Börsenhandel, und die sogenannten Experten hier sind oft weniger vertrauenswürdig als angenommen.
(* Name von der Redaktion geändert)