„Zeitenwende“ ohne Fortschritt
Verteidigungsminister Boris Pistorius bemühte sich, die Haushaltsabschlusssitzung 2024 als Erfolg zu inszenieren. Mit 20 Milliarden Euro an neuen Rüstungseinkäufen, darunter vier U-Boote für knapp fünf Milliarden, und einer Rekordzahl von 38 Vorlagen wollte er zeigen, dass die Bundeswehr auf Kurs ist.
Doch die Realität sieht anders aus: Materialmangel, eine unklare Finanzplanung und mangelnde Prioritäten werfen Fragen auf, wie ernst es die Regierung mit der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands meint.
Material ohne Plan – und ohne Nutzen
Während die NATO fordert, dass Deutschland bis 2025 eine voll ausgestattete Division bereitstellt, bleibt Pistorius’ Ministerium vage. Statt schnelle Maßnahmen für Heer und Landstreitkräfte zu priorisieren, bestellt Deutschland U-Boote, die erst in den 2030er-Jahren geliefert werden.
Auch neue Uniformen und ungenutzte Milliarden aus dem Sondervermögen sorgen für Kritik.
FDP-Haushaltspolitiker Karsten Klein zeigt sich besorgt: „Von den 100 Milliarden Euro Sondervermögen sind nach bald drei Jahren noch 25 Milliarden übrig. Was bisher ausgegeben wurde, bleibt völlig unklar.“
Personalnot und Reformstau
Die Bundeswehr ist nicht nur materiell, sondern auch personell stark geschwächt. Seit Jahren stagniert die Zahl der aktiven Soldaten bei etwa 180.000. Um die NATO-Forderungen zu erfüllen, wären jedoch mindestens 250.000 notwendig.
„Ohne eine neue, angepasste Wehrpflicht wird es nicht gehen“, erklärt Hans-Peter Bartels, Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik.
Auch die dringend benötigte Strukturreform, die die Streitkräfte auf die kollektive Verteidigung Europas ausrichten soll, bleibt unvollendet.
Gefahr an der NATO-Grenze
Während die deutsche Verteidigungspolitik strauchelt, zeichnet sich geopolitisch ein düsteres Bild ab. Experten warnen, dass Russland nach Ende des Ukraine-Krieges schnell wieder in der Lage sein könnte, die NATO herauszufordern.
„Wir befinden uns in der gefährlichsten Zeit seit Ende des Zweiten Weltkriegs“, warnt André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbands.
Er fordert eine klare Priorisierung und massive Investitionen, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands schnell und substanziell zu stärken. Doch bislang fehlen klare Signale, dass die Regierung bereit ist, dieser Verantwortung gerecht zu werden.