Das Fieber rund um den Eurovision Song Contest wird von einer Nische begeisterter Blogger und Sozialmedia-Akteure angeheizt, die kaum erahnen ließen, welches Ausmaß die Obsession für den Gesangswettbewerb angenommen hat. Auch für Magnus Bormark, den erfahrenen Rockgitarristen aus Norwegen, dessen Band Gåte das skandinavische Land in diesem Jahr vertritt, war die Flut an Aufmerksamkeit von Fanmedien eine neue Erfahrung. Die Dynamik des Eurovision Song Contest - eine Mixtur aus Klatsch, Künstlerdramen und popkulturellem Feuilleton - wird von diesen Amateuren nicht nur leidenschaftlich begleitet, sondern mitgestaltet.
Doch was für manche eine jährliche Unterhaltung darstellt, ist für die wahren Aficionados eine endlose Hommage an die Popmusik, in der Hörer- und Jurystimmen gleichermaßen den Ausschlag geben. So kann die Fan-Presse durchaus Einfluss auf das Abschneiden der Künstler nehmen. Im Zuge dessen wächst auch die Zahl der Websites und Social-Media-Konten, die sich voll und ganz dem Eurovision-Kosmos verschrieben haben und damit Teil eines größeren Medienwandels sind, bei dem Nischeninteressen eine immer größere Bühne erhalten.
Laut einer Studie des Reuters Institute for the Study of Journalism aus dem Vorjahr messen Nutzer von TikTok, Instagram und Snapchat Persönlichkeiten und Influencern mehr Aufmerksamkeit bei als den klassischen Journalisten. William Lee Adams, ein vietnamesisch-amerikanischer Journalist bei der BBC und Gründer einer der meistverfolgten Eurovision-Newsseiten, Wiwibloggs, erkennt darin einen unumgänglichen Trend. Mit über 20 Millionen Aufrufen im Vorjahr ist seine Seite ein Beispiel für die zunehmende Popularität derartiger Angebote.
Seit der Gründung vor 15 Jahren hat sich das Feld gewandelt. Beim Eurovision Song Contest 2012 in Baku stach Adams in schriller Aufmachung noch heraus. Heute zählt Wiwibloggs über 40 freiwillige Mitarbeiter aus 30 Ländern. Diesjährig in Malmö registrierte das Fan-Medium rund 300 Mitglieder, die fast 200 verschiedene Publikationen repräsentieren, neben weiteren 200, die im Online-Medienzimmer aktiv sind - abgesehen von den über 750 Journalisten traditioneller Medien.
Die US-amerikanische Kommentatorin Alesia Lucas fand über ihren YouTube-Kanal eine Gemeinschaft, die ihre Begeisterung teilte, und beobachtet das zunehmende Gewicht der Blogger im Diskurs um die Künstler. Trotz ihres Kommunikations-Jobs bei einer Gewerkschaft macht es ihr die Leidenschaft für den Contest möglich, bereits in den frühen Stunden Inhalte zu kreieren.
Gabe Milne, der seine Videos nach seinem Arbeitstag in der Londoner Stadtverwaltung produziert, hebt die gestiegene Professionalität der Inhalte hervor. Lediglich die Auseinandersetzung mit politisch brisanten Themen wie den Aufrufen, Israel vom Wettbewerb auszuschließen, überlassen die Fanberichterstatter den etablierten Medien - laut des irischen Physiotherapeuten und Youtubers Tom Davitt eine Frage der Kompetenz.
Doch während traditionelle Journalisten neutral berichten, ist das bei den Fanmedien anders. Die Einstellung eines ausgewiesenen Taylor Swift-Fans als Reporter bei USA Today wirft zum Beispiel die Frage auf, ob Objektivität und Fan-Engagement miteinander einhergehen können. Charlie Beckett, Leiter eines auf Journalismus fokussierten Think Tanks, sieht jedoch gerade in der Parteilichkeit eines der Kernelemente des Eurovision Song Contests. Alesia Lucas aus der Gegend um Washington, D.C., betont, dass selbst die Mainstream-Medien den Wettbewerb mittlerweile anders einordnen - als ein durchaus ernstzunehmendes Phänomen, trotz oder gerade wegen seines camp-haften Charakters.