Der Fiskus greift tiefer zu
Auswanderung ist für viele Menschen ein großer Schritt – und ab 2025 auch ein teurerer. Mit der geplanten Ausweitung der Wegzugsteuer verschärft der deutsche Staat die Regeln für Vermögensinhaber deutlich. Bisher galt die Steuer vor allem für Privatpersonen, die mindestens ein Prozent an Kapitalgesellschaften hielten.
Künftig werden auch Fondsanteile, darunter ETFs, ab einem Volumen von 500.000 Euro steuerpflichtig. Für Anteile an Spezialfonds gibt es keine Untergrenze – jede Verlagerung solcher Vermögenswerte ins Ausland wird besteuert.
„Der Staat behandelt den Wegzug so, als würde der Anleger sein Vermögen verkaufen“, erklärt Steuerberater Michal Fabian Kühn von Flick Gocke Schaumburg.
Das bedeutet: Anleger zahlen auf den fiktiven Gewinn die Abgeltungsteuer von 25 Prozent, zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Problematisch ist dabei, dass die Steuer sofort fällig wird – auch wenn kein Geld aus einem tatsächlichen Verkauf fließt.
Wem droht die Wegzugsteuer?
Betroffen sind nicht nur vermögende Privatpersonen, die aus steuerlichen Gründen ins Ausland ziehen. Auch Expats, die vorübergehend nach Deutschland kommen und später in ihr Heimatland zurückkehren, können unter die Regelung fallen.
Voraussetzung ist, dass sie innerhalb der letzten zwölf Jahre mindestens sieben Jahre in Deutschland steuerpflichtig waren. Hinzu kommen grenzüberschreitende Schenkungen oder Erbschaften: Übertragen Eltern ihr Vermögen auf Kinder im Ausland, fällt ebenfalls Wegzugsteuer an.
„Es gibt kaum einen anderen europäischen Staat, der so umfassende Regelungen für Wegzüge hat“, kritisiert Steuerexperte Caspar J. Freter von Rose & Partner.
Diese Vorschriften könnten auch die Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte mindern.
Schlupflöcher und Strategien zur Vermeidung
Ganz vermeiden lässt sich die Wegzugsteuer oft nicht, doch es gibt legale Strategien, um die Belastung zu reduzieren. Eine Möglichkeit besteht darin, Fondsanteile vor dem Wegzug zu veräußern. In diesem Fall fällt zwar die reguläre Abgeltungsteuer an, doch Anleger erhalten den Veräußerungsgewinn direkt und können ihn gezielt reinvestieren.
Eine weitere Option ist die Nutzung von Rückkehrregelungen: Wer innerhalb von sieben Jahren nach Deutschland zurückkehrt, kann unter bestimmten Bedingungen die gezahlte Wegzugsteuer zurückfordern. Allerdings gilt dies nicht für Anteile, die in der Zwischenzeit verkauft oder in ein Betriebsvermögen umgewandelt wurden.
Komplexer wird es bei grenzüberschreitenden Erbschaften und Schenkungen. „Eine Möglichkeit ist, das Vermögen in einem Testament über ein Vermächtnis zu regeln“, erklärt Patriz Ergenzinger von EY Tax.
„Kinder, die im Ausland leben, können so erst bedacht werden, wenn sie nach Deutschland zurückkehren.“ Solche Konstruktionen sind jedoch individuell anzupassen und erfordern juristische Expertise.
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Widerspruch gegen EU-Rechtsverstöße
Für Wegzüge innerhalb der EU oder in die Schweiz gelten besondere Regeln. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat 2023 entschieden, dass die Ratenzahlung der Wegzugsteuer für EU-Bürger mit den Grundfreiheiten des europäischen Rechts unvereinbar ist. Steueranwälte raten daher, eine zinslose Stundung zu beantragen – und notfalls zu klagen, falls der Antrag abgelehnt wird. „Die aktuelle Gesetzeslage ist aus meiner Sicht nicht europarechtskonform“, so Freter.
Das Vermögen sichern: Jetzt handeln
Anleger, die einen Wegzug planen, sollten spätestens jetzt handeln, um unnötige Steuerlasten zu vermeiden. Frühzeitige Beratung durch Steuerexperten ist dabei unerlässlich. Für vermögende Privatpersonen, Expats und Erben bietet die verschärfte Wegzugsteuer nicht nur Herausforderungen, sondern auch die Möglichkeit, ihre Vermögensstruktur langfristig zu optimieren.