Ein ambitioniertes Projekt mit enttäuschender Bilanz
Mit großem Optimismus und als historisches Signal der Solidarität startete die Europäische Union im Juli 2020 ihren Corona-Wiederaufbaufonds. Zum ersten Mal nahm die EU gemeinsam Schulden auf, um über 800 Milliarden Euro in den Wiederaufbau und die Transformation ihrer Mitgliedstaaten zu investieren.
Doch die Euphorie hat sich gelegt. Eine aktuelle Untersuchung des Europäischen Rechnungshofs legt offen: Die Umsetzung stockt, und Milliarden Euro drohen in ineffiziente oder unnötige Projekte zu fließen.
Fragwürdige Projekte und schleppende Abwicklung
Es mangelt nicht an kreativen Ideen, wie die Mittel ausgegeben werden könnten. In Italien sollten Pferderennbahnen und Golfplätze gebaut werden, während andere Orte von einem Schinkenmuseum träumten.
„Der Fonds war als Kriseninstrument gedacht“, sagt Ivana Maletić, die die Untersuchung des Rechnungshofs leitete.
Solche Pläne zeigen, wie sehr der ursprüngliche Zweck des Fonds – die Wirtschaft nach der Pandemie zu stärken und zukunftsgerichtete Investitionen zu fördern – verwässert wurde. Auch Florenz und Venedig planten, ihre Fußballstadien mit EU-Geldern zu renovieren.
Doch das größere Problem ist die schleppende Abwicklung der Projekte. Bis Ende 2023, also zur Halbzeit des Fonds, war erst weniger als ein Drittel der Mittel ausgezahlt worden.
Länder wie Italien und Spanien erhielten den Großteil der Gelder, aber die Umsetzung bleibt hinter den Erwartungen zurück. Projekte werden verzögert oder sogar aufgegeben, was bedeutet, dass viele Investitionen am Ende wirkungslos verpuffen könnten.
Komplexe Bürokratie und mangelnde Ressourcen
Ivana Maletić, Leiterin der Untersuchung des Rechnungshofs, macht die überbordende Bürokratie und den Mangel an Ressourcen in den nationalen Verwaltungen für die Verzögerungen verantwortlich.
Die Staaten müssen zahlreiche bürokratische Hürden überwinden und umfangreiche Reformen durchführen, um an die Mittel zu gelangen. Doch viele Regierungen scheitern an den administrativen Anforderungen oder fühlen sich durch die Bedingungen der EU-Kommission erpresst.
Einige Mitgliedstaaten haben bisher noch keine Mittel beantragt, darunter Länder wie Belgien, Finnland und Schweden. Andere, wie die Niederlande und Ungarn, haben noch nicht einmal Verträge unterzeichnet, um Zugang zu dem Fonds zu erhalten. Diese langsame Umsetzung zeigt, wie schwierig es für die EU ist, ihre Mitgliedstaaten zur raschen Verwendung der Gelder zu bewegen.
Gemeinsame Schulden als Zukunftsmodell?
Trotz dieser Probleme sehen einige Politiker und Mitgliedstaaten in dem Fonds ein Modell für die Zukunft. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron befürworten gemeinsame europäische Schulden, um große Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Unterstützung der Ukraine zu bewältigen. Doch der Widerstand wächst.
Viele Staaten, insbesondere Deutschland, sind skeptisch, ob solche schuldenfinanzierten Investitionsprogramme tatsächlich die Lösung sind.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber warnt: „Der Bericht des Rechnungshofs zeigt, dass der Fonds keine Blaupause für die Zukunft sein kann.“ Er kritisiert, dass viele Mitgliedstaaten nicht über die nötigen administrativen Kapazitäten verfügen, um die Mittel effektiv und zeitgerecht zu nutzen.
Ein gescheitertes Experiment?
Die Zukunft des Fonds ist ungewiss. Zwar arbeitet die EU-Kommission daran, die Umsetzung zu verbessern und die Auszahlungen zu beschleunigen, doch die Herausforderungen bleiben groß.
Es droht, dass Milliarden Euro an Steuergeldern in ineffizienten Projekten versickern. Wenn die Mitgliedstaaten die Mittel nicht bis August 2026 abrufen, könnten viele Vorhaben unvollendet bleiben – und das wäre ein weiteres alarmierendes Zeichen für die Effektivität solcher gemeinsamen Schuldenprojekte in der EU.