Stellen Sie sich vor, der Nachschub an Lithium bricht ab – jener Rohstoff, der für die Herstellung von Elektroautobatterien und Speicheranlagen unverzichtbar ist. Diese Horrorvorstellung könnte für die deutsche Wirtschaft Realität werden, wenn es zu einem Handelskonflikt mit China kommt.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat in einer aktuellen Studie gemeinsam mit Roland Berger die Risiken untersucht, und das Ergebnis ist erschreckend: Allein für die Autoindustrie würde ein solcher Ausfall bis zu 42 Milliarden Euro Verlust bedeuten.
Insgesamt drohen durch die Abhängigkeit von China volkswirtschaftliche Schäden von bis zu 115 Milliarden Euro.
Eine Abhängigkeit, die teuer werden kann
Bei kaum einem Rohstoff ist Deutschland so abhängig von einem einzigen Land wie bei Lithium. 49 Prozent der deutschen Lithiumprodukte stammen direkt aus China.
Ein weiteres Drittel kommt aus Europa – jedoch werden auch diese Importe zu 69 Prozent mit Lithium aus China hergestellt. Die Abhängigkeit beläuft sich so auf über 80 Prozent.
Ein Handelsstopp mit China könnte Deutschland daher in eine Rohstoffkrise stürzen. Besonders hart träfe es die Autoindustrie, die sich in den letzten Jahren auf den Bau von Elektrofahrzeugen fokussiert hat und ohne Lithium stillsteht.
Elektrische Abhängigkeit: Lithium als Achillesferse der Autoindustrie
Die deutsche Autoindustrie steckt mitten im Wandel zur Elektromobilität. Der Anteil der Elektroautos am Produktionsvolumen wächst, doch ohne Lithium gibt es keine Batterien und damit auch keine E-Autos.
Laut der Studie des BDI würden die Schäden für die Autoindustrie bei einem Lithium-Ausfall 88 Milliarden Euro erreichen, inklusive der Verluste bei Zulieferern und Dienstleistern. Dies entspräche einem Einbruch von zwölf Prozent der gesamten Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe.
„Ein Lieferstopp aus China wäre für die Automobilindustrie kaum zu kompensieren“, so die Autoren der Studie.
Auch wenn Australien und Chile größere globale Marktanteile bei der Lithiumförderung haben, greift die deutsche Industrie vor allem auf chinesische Lieferungen zurück.
Dies liegt vor allem an günstigeren Preisen und den vertraglich abgesicherten Lieferketten mit chinesischen Anbietern.
Lithium auch für die Energiewende unverzichtbar
Die Abhängigkeit endet nicht bei der Autoindustrie. Die Energiewende erfordert eine massive Zahl an stationären Stromspeichern, die ebenfalls Lithium benötigen. Diese Speicher sichern die Stabilität des Stromnetzes und sind für die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie entscheidend.
Auch in der chemischen Industrie findet Lithium breite Verwendung. Ein Handelsstopp mit China würde daher nicht nur den Automobilsektor, sondern die gesamte deutsche Industrie empfindlich treffen.
Eine Zeitbombe, die bereits tickt
Die Abhängigkeit von China für kritische Rohstoffe ist keine neue Erkenntnis. Schon seit Jahren wird davor gewarnt, doch trotz aller politischen Vorsätze stieg die Abhängigkeit in den letzten Jahren weiter.
Besonders seit dem Krieg in der Ukraine und der darauf folgenden Energiekrise ist klar, wie schnell geopolitische Konflikte zu konkreten wirtschaftlichen Problemen führen können. Ein Konflikt um Taiwan könnte diesen wirtschaftlichen Albtraum Realität werden lassen.
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Strategien zur Risikominimierung
Die Studie des BDI und Roland Berger nennt klare Maßnahmen, um die Abhängigkeit von China zu verringern.
Zunächst könnten heimische Lithiumvorkommen, etwa im Oberrheingraben, stärker genutzt werden. Diese Ressource blieb bisher weitgehend ungenutzt, obwohl Deutschland damit langfristig unabhängiger werden könnte.
Auch die geplante Einstufung von Lithium als „giftiger Stoff“ durch die EU könnte problematisch werden und sollte überdacht werden, um den Rohstoff weiterhin flexibel nutzen zu können.
Zudem fordern die Autoren Rohstoffpartnerschaften mit Ländern außerhalb Chinas, um neue Lieferanten zu erschließen. Eine verstärkte Initiative im Bereich Recycling könnte ebenfalls zur Entlastung beitragen.
Denn je mehr Rohstoffe durch Wiederverwertung gewonnen werden, desto weniger muss von außen importiert werden.
„Deutschland muss aus den Erfahrungen der vergangenen Krisen lernen und mehr in die Sicherung seiner Rohstoffversorgung investieren“, heißt es im Bericht des BDI.