06. Januar, 2025

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Warum Gen Z im Ausdauersport ihre Erfüllung sucht

Marathons, Ultramarathons und Ironman-Wettbewerbe erleben einen Boom unter jungen Menschen. Für viele wird das Laufen zur Lebensphilosophie – und zum Ersatz für traditionelle Lebensziele.

Warum Gen Z im Ausdauersport ihre Erfüllung sucht
Immer mehr junge Menschen nutzen Marathons und Ultramarathons, um traditionelle Lebensziele wie Karriere oder Hausbesitz zu ersetzen – eine Verschiebung, die Fragen nach langfristiger Nachhaltigkeit aufwirft.

Eine Generation, die in eine Welt voller Unsicherheiten hineingewachsen ist, findet ihre Bestimmung auf der Laufstrecke. Immer mehr Menschen in ihren Zwanzigern und frühen Dreißigern stürzen sich in extreme Fitness-Herausforderungen.

Marathons, Ultramarathons und sogar die gnadenlosen Ironman-Triathlons verzeichnen Rekordteilnahmen – besonders unter Frauen. Doch was treibt Gen Z dazu, Kilometer um Kilometer zurückzulegen, oft jenseits aller körperlichen Grenzen?

Ein Lauf gegen die Unsicherheit

Die Zahlen sprechen für sich: Der Anteil der 20- bis 29-Jährigen an Marathonläufen wie in New York und Los Angeles ist in den letzten fünf Jahren um über 50 % gestiegen.

Gleichzeitig explodiert die Teilnahme an Ultraläufen – Veranstaltungen, die oft deutlich länger als 42,2 Kilometer dauern. Was einst ein Nischensport für Ausdauerenthusiasten war, ist für viele zur neuen Normalität geworden.

„Es geht nicht nur ums Laufen“, sagt die 27-jährige Rylee Jade Ollearis, die inzwischen drei Ironmans absolviert hat. „Es geht darum, meine Grenzen auszutesten und etwas Sinnvolles zu tun.“

Marathonzeiten auf dem Lebenslauf: Unternehmen sehen in Ausdauerleistungen zunehmend ein Zeichen für Disziplin und Zielstrebigkeit – eine Entwicklung, die Sport zur Berufsstrategie macht.

Die Pandemie als Katalysator

Während der Lockdowns der COVID-19-Pandemie fanden viele junge Menschen, die weder reisen noch feiern konnten, eine neue Leidenschaft: das Laufen. Es war eine Aktivität, die einfach zu beginnen war, wenig kostete und trotzdem herausfordernd blieb.

„Es war eines der wenigen Dinge, die man tun konnte“, sagt Adharanand Finn, Autor von The Rise of The Ultra Runners. Doch das Momentum hielt auch nach der Pandemie an – inzwischen erleben Marathon- und Ultraläufe einen regelrechten Hype.

Traditionelle Lebensziele weichen neuen Meilensteinen

Für viele junge Erwachsene ist die klassische Lebensplanung – Studium, Karriere, Haus, Familie – heute schwieriger zu realisieren. Hohe Lebenshaltungskosten und gesellschaftliche Unsicherheiten verschieben diese Meilensteine immer weiter in die Zukunft. Das Streben nach Erfolg und Fortschritt hat sich auf andere Felder verlagert.

„Ein Marathon oder Ironman gibt einem das Gefühl, etwas Großes erreicht zu haben“, sagt der 28-jährige Chase Bandolik, der mittlerweile Ultramarathons und Ironman-Triathlons absolviert. „Es ist ein erreichbares Ziel, das trotzdem enormen Einsatz erfordert.“

Psychologen warnen, dass der Hype um Ausdauersport junge Menschen in einen gefährlichen Kreislauf von Selbstoptimierung treiben könnte – mit gesundheitlichen und psychischen Risiken.

Die Rolle der sozialen Medien

Ein weiterer Treiber des Fitnessbooms ist die Selbstdarstellung auf Plattformen wie Instagram, TikTok und Strava. Influencer wie Russ Cook, der 352 Tage lang durch Afrika lief, oder Jonny Davies, der in elf Tagen 960 Kilometer absolvierte, motivieren immer mehr junge Menschen, ebenfalls die Laufschuhe zu schnüren.

„Die sozialen Medien haben eine ganze Community geschaffen“, sagt Fitness-Influencerin Keltie O'Connor. „Laufen ist plötzlich cool geworden – und Marken wie On Cloud und Oakley haben diesen Trend noch verstärkt.“

Von der Laufbahn ins Berufsleben

Der Ausdauersport beeinflusst nicht nur die Fitness, sondern auch das Selbstbild und die beruflichen Perspektiven vieler junger Menschen. Immer mehr Gen Z-Mitglieder fügen ihre Marathonzeiten ihrem Lebenslauf hinzu – als Zeichen für Disziplin und Durchhaltevermögen. Unternehmen, die sportliche Leistungen als positives Persönlichkeitsmerkmal betrachten, springen auf den Zug auf.


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Gefahren eines neuen Hypes

Trotz der Begeisterung gibt es auch kritische Stimmen. Experten wie der Psychologe Kevin Masters warnen vor dem Druck, den der Ausdauersport auf einige ausüben kann.

„Es besteht die Gefahr, dass Menschen in einen Kreislauf geraten, in dem sie ständig ihre Grenzen verschieben müssen, um sich selbst zu bestätigen.“

Ein neues Lebensgefühl

Laufen und Ausdauersport bieten jungen Menschen eine Möglichkeit, sich selbst zu finden und eine starke Community zu erleben.

Für einige wird das Laufen zur Metapher für das Leben – ein Weg, Kontrolle zurückzugewinnen und Meilensteine zu setzen, wenn traditionelle Lebensziele unerreichbar erscheinen. Doch auch die Frage bleibt: Ist dieser Trend ein nachhaltiger Lebensstil oder nur eine vorübergehende Flucht vor der Realität?