23. April, 2025

Märkte

Warum der globale Seeverkehr vor seiner größten Belastungsprobe steht

Neue US-Strafzölle, strengere Umweltauflagen, geopolitische Krisen und Überkapazitäten setzen der weltweiten Schifffahrt zu. Für Reedereien und Logistikriesen wie Hapag-Lloyd beginnt ein riskanter Kurswechsel – mit unkalkulierbaren Folgen für den Welthandel.

Warum der globale Seeverkehr vor seiner größten Belastungsprobe steht
Containerflut trifft Flaute: Trotz rückläufiger Nachfrage wächst die globale Schiffskapazität 2025 um weitere sechs Prozent – eine gefährliche Schieflage, die den Frachtmarkt unter Preisdruck setzt.

1. Trumps Zoll-Idee: Ein politischer Wellengang mit Tiefenwirkung

Sollte Donald Trump erneut Präsident werden, plant er laut Beratern eine milliardenschwere Strafabgabe auf Containerschiffe – sofern diese aus chinesischen Werften stammen.

Der Zweck: Die heimische US-Schiffbauindustrie retten, die derzeit weniger als ein Prozent Marktanteil im globalen Containerschiffbau hält. Die Realität: Ein Viertel der Flotte von Hapag-Lloyd ist „Made in China“. Und China liefert heute fast 70 Prozent aller neuen Containerschiffe weltweit.

Die Maßnahme wäre nichts anderes als ein Frontalangriff auf die internationale Logistik – teuer, politisch motiviert und strategisch riskant. Die Zusatzkosten würden Reedereien treffen, aber letztlich bei Exporteuren und Importeuren landen. Eine Abwanderung von US-Häfen, Bündelung von Ladung und höhere Frachtpreise wären die wahrscheinliche Folge.

2. Der Emissionspreis: Wenn Bunkeröl Geschichte wird

Noch verbrennen über 95 Prozent der Handelsschiffe das umweltschädlichste, billigste Ölprodukt: Bunkeröl. Doch das wird teuer.

Denn die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hat nicht nur das Ziel eines klimaneutralen Sektors bis 2050 ausgegeben – sie schafft jetzt Fakten: Ein CO₂-Bepreisungssystem und Emissionshandel für die Branche kommen. Das dürfte die Transportkosten um Milliarden verteuern.

Reedereien stehen damit unter doppeltem Druck: von der IMO und von ihren Kunden, die zunehmend auf CO₂-arme Lieferketten pochen. Während Unternehmen wie Hapag-Lloyd Milliarden in alternative Antriebe investieren, ist der Technologiesprung noch längst nicht geschafft. Das nächste Jahrzehnt wird zur Nagelprobe für Investitionen in Methanol, Wasserstoff oder Ammoniak als Treibstoffalternativen.

Klimakosten voraus: Mit dem CO₂-Bepreisungssystem der IMO drohen der Branche bis 2030 zusätzliche Belastungen von bis zu 40 Milliarden Dollar – die Zeche zahlen wohl wieder die Kunden.

3. Suezkanal in der Zwangspause – der geostrategische Flaschenhals

Seit Monaten meiden große Reedereien den Suezkanal – aus Angst vor Huthi-Angriffen im Roten Meer. Die Folge: Frachter fahren tausende Kilometer Umweg um Südafrika. Mehr Zeit, mehr Treibstoff, mehr Kosten.

Der Kanalverkehr hat sich halbiert, die Umwege binden zehn Prozent der globalen Flottenkapazität – eine logistische Notlösung mit begrenzter Haltbarkeit.

Eine militärische Befriedung der Region scheint nicht in Sicht, auch wenn die USA mit Luftschlägen drohen. Sollte sich die Lage entspannen und der Suezkanal wieder stärker befahren werden, droht der nächste Schock: Dann sind plötzlich wieder Schiffe frei – und der Preiskampf auf dem überfüllten Markt beginnt.

4. Die Überkapazität kommt schneller als erwartet

2021 erlebten Containerreedereien historische Gewinne – 20 Milliarden Dollar bei Maersk, 13 Milliarden bei Hapag-Lloyd. In Erwartung anhaltender Nachfrage wurden massiv neue Schiffe bestellt. Jetzt sind die georderten Kapazitäten da – aber die Nachfrage schrumpft.

2025 soll das globale Containeraufkommen erstmals seit Jahren wieder leicht zurückgehen – um zwei Prozent, schätzt der Branchenverband BIMCO. Gleichzeitig wächst die Stellplatzkapazität um weitere sechs Prozent. Eine klassische Überangebotsspirale, bei der Preisverfall und Margendruck vorprogrammiert sind. Der Schweinezyklus der Branche schlägt wieder zurück.

Unsichere Aussichten – und kein Masterplan in Sicht

Die große Ironie: Es ist nicht eine einzelne Krise, die der Schifffahrt zusetzt – es ist das gleichzeitige Zusammenwirken vieler Faktoren. Politische Zölle, geopolitische Unsicherheit, ökologische Umbaupflicht und ökonomische Zyklenschwankung prallen aufeinander. Das macht die Lage unberechenbar – für Investoren, Reeder und Volkswirtschaften gleichermaßen.

Der Seeverkehr ist das Rückgrat des globalen Handels. Wenn dieses Rückgrat ins Wanken gerät, bleibt kein Kontinent unberührt.

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