Ein Milliardenauftrag – und trotzdem rote Zahlen
Es klingt zunächst wie eine Erfolgsmeldung: Airbus bekommt den Zuschlag für neun Flugzeuge von EVA Air, einer der größten Fluggesellschaften Taiwans.
Sechs A350-1000 für die Langstrecke, drei A321neo für die Regionallinien – beides Modelle mit hoher Nachfrage und strategischer Bedeutung für den europäischen Hersteller.
Doch während die Meldung über die Nachrichtenticker läuft, reagiert die Börse völlig anders: Die Aktie von Airbus verliert im frühen Handel fast zehn Prozent und fällt auf unter 133 Euro. Was ist da los?
Der Auftrag kam nicht überraschend – und das ist das Problem
Der Haken an der Sache: Der EVA-Air-Deal war längst bekannt. Bereits im März hatte die taiwanesische Airline öffentlich gemacht, dass sie eine Bestellung in Aussicht stellt – Airbus selbst sprach von einer „Verpflichtung“.
Nun wurde der Vertrag lediglich offiziell gemacht. Für Analysten und Investoren ist das ein alter Hut. Und in Zeiten nervöser Märkte reicht Bekanntes nicht aus, um Kurse zu stützen.
Mehr Rückenwind aus Taiwan – doch der Druck kommt von woanders
Dass der Auftrag zustande kommt, ist dennoch keine Randnotiz. Die Wahl Taiwans zugunsten von Airbus – und gegen Boeing – ist geopolitisch nicht unbedeutend.
Der A350-1000 gilt als direkter Konkurrent der Boeing 777X, die sich durch Verzögerungen und technische Probleme immer wieder selbst im Weg steht. EVA Air setzt mit dem Schritt ein Zeichen – nicht nur technologisch, sondern auch strategisch.
Für Airbus ist das wichtig: Der A350-1000 hatte es bislang schwer, größere Marktanteile zu gewinnen. Im Gegensatz zur kleineren Variante A350-900, die weltweit erfolgreich verkauft wird, hinkt das größere Modell trotz technischer Stärken hinterher.
Dass sich EVA Air nun für sechs Maschinen dieses Typs entscheidet, ist ein Vertrauensbeweis.

Warum die Aktie trotzdem fällt
Die Gründe für den Kursrutsch liegen allerdings nicht in Asien, sondern in Europa und den USA. Zum einen belastet der schwächelnde Gesamtmarkt – auch andere Industrie- und Luftfahrtwerte wie Safran, MTU oder Boeing stehen unter Druck.
Zum anderen mehren sich die Sorgen um Lieferkettenprobleme bei Airbus selbst. Immer wieder kommt es zu Verzögerungen bei Zulieferern – von Triebwerken über Kabinenausstattung bis hin zu Softwaremodulen. Das bremst die Auslieferungen und erhöht die Kosten.
Auch die zuletzt gestiegenen Zinsen setzen dem Luftfahrtsektor zu. Neue Großaufträge sind langfristig positiv, aber kurzfristig belasten sie die Marge, wenn Vorfinanzierung, Wechselkurssicherung und Inflationskosten gleichzeitig drücken. Die Börse bewertet nicht nur das „Was“, sondern vor allem das „Wann“.
Und in diesem Fall heißt es: Der Auftrag zählt für die Zukunft – aber nicht für das nächste Quartal.
Airbus kämpft mit seinen eigenen Ambitionen
Airbus hatte für 2025 ambitionierte Ziele ausgegeben – unter anderem rund 800 Auslieferungen über das Jahr hinweg. Doch in der Branche weiß man: Zwischen Auftrag und Auslieferung liegt ein weiter Weg.
Die Auftragsbücher sind voll, aber das Nadelöhr ist die Produktion. Besonders die A321neo-Fertigung in Hamburg und Toulouse ist von Engpässen betroffen.
Hinzu kommt: Viele Airlines haben in den vergangenen Monaten ihre Flottenstrategien angepasst – nicht immer zugunsten europäischer Hersteller.
Insbesondere Airlines aus dem Nahen Osten und China greifen wieder verstärkt zu Boeing-Modellen oder investieren in lokale Hersteller. EVA Air ist da eher die Ausnahme – nicht die Regel.
Taiwan als geopolitische Fußnote
Ein Aspekt, der in den heutigen Marktreaktionen eher leise mitschwingt, ist die politische Lage rund um Taiwan. Bestellungen aus der Region gelten an den Märkten inzwischen als sensibel – nicht wegen der Airlines, sondern wegen der Risiken.
Ein militärischer Konflikt zwischen China und Taiwan, so unwahrscheinlich er scheinen mag, würde nicht nur die Lieferketten, sondern auch die Vertragssicherheit großer Deals infrage stellen. Das bleibt nicht ohne Wirkung auf die Bewertung.
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