Physisches Gold wird knapp – und teurer
Wer heute physisches Gold in London kaufen will, braucht vor allem Geduld: Die Wartezeit auf Barren beträgt inzwischen mehrere Wochen. Der Grund ist eine explosionsartige Nachfrage, die nicht nur private Investoren, sondern auch Zentralbanken erfasst hat.
Besonders in den USA wächst der Appetit auf das Edelmetall: Die Bestände in den Tresoren der Comex, einer der größten Rohstoffbörsen der Welt, sind in nur vier Monaten um 130 Prozent gestiegen. Das entspricht über 40 Millionen Feinunzen.
Warum explodiert der Goldpreis?
Hinter dem Hype stehen mehrere Faktoren. Zum einen treiben geopolitische Spannungen, eine schwächelnde Weltwirtschaft und eine drohende Dollar-Schwäche den Preis in die Höhe.
Zum anderen hat der wiedergewählte US-Präsident Donald Trump angekündigt, die Einfuhr von Gold mit Zöllen zu belegen. Anleger in den USA kaufen deshalb in Panik, bevor neue Handelsbarrieren den Markt verteuern.
Doch nicht nur politische Unsicherheit stützt den Goldpreis. Die Nachfrage nach physischem Gold hat sich von klassischen Papiergold-Investments entkoppelt. Immer mehr Investoren wollen das Edelmetall tatsächlich besitzen, statt es nur auf dem Papier zu handeln.
„Es gibt eine bemerkenswerte Verlagerung von Gold-ETFs hin zu physischen Beständen“, erklärt Bernhard Schmitt von der Liechtensteinischen Landesbank.
Zentralbanken als Großkäufer
Nicht nur Privatanleger setzen auf Gold. Auch die Notenbanken stocken ihre Reserven massiv auf – eine Entwicklung, die seit Jahren anhält. 2024 überstieg der weltweite Goldankauf der Zentralbanken zum dritten Mal in Folge 1000 Tonnen. Besonders aktiv sind Polen, die Türkei, Indien und China.

Der Trend zur „Ent-Dollarisierung“ beschleunigt sich. Viele Länder wollen ihre Währungsreserven unabhängiger vom US-Dollar machen und setzen deshalb verstärkt auf Gold. Gerade die politischen Turbulenzen in Washington haben den Glauben an den Dollar als sichere Reservewährung weiter erschüttert.
Warum Barren umgegossen werden müssen
Dass Gold nicht nur gekauft, sondern auch in neue Form gegossen wird, ist ein weiteres Anzeichen für die Verschiebungen im Markt. Während in London traditionell 400-Unzen-Barren (ca. 12,5 kg) gelagert werden, akzeptiert die Comex in New York nur Ein-Kilo-Barren.
Damit das Edelmetall transatlantisch gehandelt werden kann, müssen diese Großbarren zunächst in spezialisierten Schweizer Raffinerien umgegossen werden – ein aufwendiger Prozess, der die Lieferzeiten weiter verzögert.
Steigt der Goldpreis weiter?
Viele Analysten erwarten, dass der Goldpreis weiter zulegen wird. Die australische Investmentbank Macquarie prognostiziert, dass die Feinunze noch 2025 die Marke von 3500 US-Dollar erreichen könnte. Vor allem die jüngste Entscheidung Chinas, seinen größten Versicherern Goldkäufe in Milliardenhöhe zu erlauben, könnte die Nachfrage weiter anheizen.
Allerdings gibt es auch Risiken: Sollte sich die geopolitische Lage beruhigen oder die Zinsen stark steigen, könnte der Höhenflug abrupt enden. Zudem könnten alternative Anlagen wie Kryptowährungen oder Aktien wieder an Attraktivität gewinnen. „Gold bleibt eine Absicherung – aber keine Einbahnstraße“, warnt der Analyst Charles Zhou von UBS in Hongkong.
Lohnt sich der Einstieg noch?
Wer von den hohen Goldpreisen profitieren will, muss nicht zwingend physische Barren kaufen. Es gibt zahlreiche ETFs und Fonds, die in Gold investieren. Auch Minenaktien wie Barrick Gold oder Newmont haben in den vergangenen Monaten stark zugelegt, bieten aber höhere Volatilität.
Für langfristige Anleger bleibt Gold ein wichtiger Baustein zur Absicherung des Portfolios. Doch die extremen Kursgewinne der letzten Monate könnten kurzfristig zu einer Korrektur führen. Wer jetzt noch einsteigen will, sollte sich der Risiken bewusst sein – oder warten, bis sich der Markt wieder beruhigt.
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