Die Krise kommt durch die Hintertür. Nicht plötzlich, aber unaufhaltsam. Während Bosch in der Automobilsparte Marktanteile verliert und der Konzerngewinn vor Zinsen und Steuern 2024 um ein Drittel einbricht, steht der neue Hoffnungsträger längst fest: Heiztechnik. Genauer gesagt – Wärmepumpen.
Das allein klingt nicht besonders sexy. Doch für Bosch geht es um nichts weniger als die Neuausrichtung eines Industrie-Giganten. Der Traditionskonzern aus Stuttgart will raus aus der Abhängigkeit vom Verbrennergeschäft – und rein in die Wärmeversorgung der Zukunft. Nur: Ist dieser Pfad realistisch?
Die Wärmepumpe als Rettungsanker
Bosch-Chef der Home Comfort Group, Jan Brockmann, lässt keinen Zweifel: Die Wärmesparte soll in den kommenden Jahren zur zentralen Säule des Unternehmens werden.
Der Umsatz soll mittelfristig auf neun Milliarden Euro steigen, auch dank der größten Akquisition in der Bosch-Geschichte – dem Zukauf der Heiz- und Klimatechnik von Johnson Controls und Hitachi.
Dabei ist das Timing brisant: Die Branche kämpft mit einem Absatzeinbruch. Allein in Deutschland ging der Verkauf von Heizsystemen 2024 um fast 50 Prozent zurück. In Europa waren es 23 Prozent.
Der politische Rückzug von Förderprogrammen, handwerkliche Engpässe und die Verunsicherung durch das deutsche Heizungsgesetz haben ihre Spuren hinterlassen.
Trotzdem verbucht Bosch vergleichsweise geringe Verluste – „nur“ minus zwölf Prozent Umsatz. Das reicht, um Marktanteile zu gewinnen. Doch der Preis ist hoch: Laut Branchenbeobachtern setzt der Konzern auf aggressive Preise, um Wettbewerber zu unterbieten. Ob sich das rechnet, ist offen.
Kampf um den Handwerker
Was Bosch besser macht als viele andere: der Zugang zu den Entscheidern im Heizkeller. Gemeint sind die Installateure. Denn die meisten Kunden lassen sich nicht durch Marketing oder Technikdatenblätter überzeugen, sondern durch das Urteil ihres Handwerkers.

Bosch hat das erkannt und setzt massiv auf Schulungen. 60 Prozent der deutschen Heizungsbauer sollen bis Jahresende durchtrainiert sein – für die Bosch-Wärmepumpe.
Ziel ist es, die Einbauzeit um bis zu 30 Prozent zu senken – ein echter Hebel. Denn zwei Drittel der Kosten einer neuen Heizung entstehen nicht im Werk, sondern beim Einbau. Wer schneller ist, kann günstiger anbieten. Wer günstiger ist, gewinnt Marktanteile.
Milliardenübernahme als Zäsur
Mit dem 8-Milliarden-Euro-Zukauf der Klima-Sparte von Johnson Controls und Hitachi sichert sich Bosch nicht nur Technologien, sondern vor allem Marktpräsenz. Die Marke York bringt Zugang zu den USA, Hitachi zu Südeuropa und Asien. Gerade in Süd- und Westeuropa war Bosch bislang schwach – das soll sich ändern.
Klimageräte, also Luft-Luft-Wärmepumpen, gelten zudem als Wachstumsmarkt schlechthin. Weltweit wird Kühlung bald wichtiger als Heizung. Der globale Energieverbrauch zum Kühlen wächst jährlich um rund 6 Prozent – Tendenz steigend.
Hybridheizung – Technik fürs Zögern?
Doch nicht alle Innovationen aus dem Hause Bosch sind zukunftsfest. Die „All-in-one“-Heizung, eine Kombination aus Gastherme und Wärmepumpe, mag auf Messen glänzen, doch Experten sehen sie als Übergangsmodell. „Für unsichere Verbraucher gedacht“, sagen die einen. „Eine Sackgasse“, sagen andere.
Peter Schossig vom Fraunhofer ISE sieht für die Hybridtechnik nur eine begrenzte Lebensdauer. Sobald Stromnetze stabiler und Wärmepumpen effizienter werden, dürfte die Gas-Komponente obsolet sein. Für Bosch könnte das heißen: Entwicklungskosten für ein Produkt, das bald niemand mehr will.
Konsolidierung kommt – und Bosch ist vorn dabei
Der Markt sortiert sich neu. Mittelständische Hersteller geraten unter Druck. Denn wer nicht automatisiert produziert, wird auf Dauer nicht wettbewerbsfähig sein. Bosch, Vaillant und Co. bauen längst robotergestützte Fertigungslinien. Skalierung wird zur Überlebensfrage.
Bis 2032 will Bosch 12.000 Stellen abbauen – auch das Teil der Transformation. Die Heiztechnik soll zum neuen Motor werden, während der alte Verbrenner stottert. Doch ob das gelingt, hängt nicht nur von Technologie und Kosten ab, sondern auch von politischer Verlässlichkeit. Förderbedingungen, Regulierung und Netzplanung entscheiden über den Markterfolg der Wärmepumpe.
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