19. Januar, 2025

Politik

War Habecks Atomprüfung wirklich ergebnisoffen?

Bundeskanzler Olaf Scholz äußert im Untersuchungsausschuss Zweifel an der Haltung seines Wirtschaftsministers Robert Habeck in der Atomfrage. Sein Machtwort zur Laufzeitverlängerung inszeniert Scholz als einsame Entscheidung – doch Hinweise auf politische Deals mehren sich.

War Habecks Atomprüfung wirklich ergebnisoffen?
Der Bundeskanzler bezeichnet den Prüfvermerk von Habeck und Lemke als „Positionspapier“ und stellt dessen Eindeutigkeit in Frage – ein subtiler Zweifel an der Ergebnisoffenheit.

Die Spannung im Paul-Löbe-Haus ist gering, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend den Saal 4.900 betritt. Es ist der letzte Zeugenauftritt im Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg.

Mehr als 350.000 Seiten Akten und 39 Zeugenaussagen haben bislang keinen Beweis erbracht, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Frühjahr 2022 absichtlich längere Laufzeiten der letzten Atomkraftwerke blockierte. Doch Scholz sorgt in seiner Aussage für neue Nuancen – und leise Zweifel.

Ein Vermerk oder ein Standpunkt?

Im Fokus steht ein Prüfvermerk vom 7. März 2022, in dem Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) technische und rechtliche Hürden für längere AKW-Laufzeiten festhielten. Scholz, gewohnt nüchtern, geht auf Distanz zu dem Dokument: „Ich habe das nicht als Vermerk wahrgenommen, sondern als Positionspapier.“

Besonders auffällig: Scholz widerspricht der Interpretation, dass der Vermerk klar gegen längere Laufzeiten sprach.

„Da steht nicht drin: Das geht nicht“, erklärt der Kanzler.

Stattdessen habe er die Haltung der Grünen Minister als Standpunkt betrachtet, der einer gewissen juristischen Flexibilität unterliege. „Meine Einschätzung war: Mal schauen.“


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Ergebnisoffen? Scholz bleibt vage

Ein Parteifreund fragt Scholz direkt, ob er davon ausging, dass Habeck und Lemke die Frage ergebnisoffen geprüft hätten. Scholz bleibt ausweichend: „Darauf muss man ja setzen.“ Seine Antwort klingt mehr nach einem politischen Pflichtsatz als nach Überzeugung. Dass er keine klare Aussage trifft, lässt Raum für Spekulationen.

Machtwort oder politisches Geschäft?

Im Herbst 2022 verlängerte Scholz die Laufzeiten der letzten drei Atomkraftwerke um dreieinhalb Monate – ein Machtwort, wie er es nennt.

Scholz schildert sich als einsamen Entscheider, der die schwierige Entscheidung auf seine Schultern nahm. Doch Recherchen werfen ein anderes Licht darauf: Die Entscheidung war offenbar Teil eines politischen Tauschgeschäfts.

Während Scholz von einer einsamen Entscheidung spricht, deuten Aussagen von Christian Lindner auf ein politisches Tauschgeschäft zwischen SPD, Grünen und FDP hin.

Die Grünen erhielten im Gegenzug für die Laufzeitverlängerung ein Energieeffizienzgesetz. Die FDP durfte sich freuen, dass alle drei AKWs weiterliefen – und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, nur zwei in Süddeutschland.

FDP-Chef Christian Lindner bestätigte dies vor dem Ausschuss. Auch Habeck widersprach dieser Darstellung nicht. Scholz jedoch bleibt dabei: „Es war meine Entscheidung.“

Atomausstieg bleibt unumstößlich

In einem Punkt bleibt Scholz jedoch kompromisslos. Die dreimonatige Verlängerung sei notwendig gewesen, eine darüber hinausgehende Laufzeit jedoch nicht. Gespräche mit den Betreibern hätten klargemacht, dass neue Brennstäbe über Jahre genutzt werden müssten – eine Entscheidung, die Scholz kategorisch ausschließt.

„Wir lutschen die Brennstäbe aus bis zum 15. April und dann ist Schluss“, erklärt er trocken.

Die grundsätzliche Entscheidung für den Atomausstieg verteidigt Scholz weiterhin mit Nachdruck.

Politische Baustelle Energie

Scholz Auftritt vor dem Ausschuss zeigt vor allem eines: Die Energiefrage bleibt eine politische Baustelle, auch wenn der Atomausstieg beschlossen ist. Die Zweifel an Habecks Vorgehen könnten die Grünen weiter belasten. Und Scholz’ Inszenierung als einsamer Entscheider lässt Fragen offen, die nach politischem Geschachere klingen.