700.000 Euro zum Abschied – aber zu welchem Preis?
Wer eine Abfindung angeboten bekommt, denkt meist zuerst an die Summe – und nicht an die Folgen. So auch im Fall eines langjährigen Managers, dem ein großer deutscher Versicherungskonzern den Weg in den Ruhestand mit 700.000 Euro versüßen wollte.
Ein attraktives Angebot? Nicht unbedingt. Denn nach Steuern, Rentenverlusten und möglichen Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld bleibt oft weit weniger übrig als erhofft.
Der Berliner Arbeitsrechtsanwalt Christoph Abeln warnt: „Viele Angebote klingen besser, als sie sind. Wer vorschnell unterschreibt, riskiert hohe Verluste bei der Altersvorsorge – und am Ende ein böses Erwachen.“
Warum Unternehmen auf Abfindungen setzen
Abfindungen haben für Unternehmen einen klaren Vorteil: Sie sind einmalig, kalkulierbar – und sie beenden Verpflichtungen auf einen Schlag. Im Gegenzug verliert der oder die Betroffene nicht nur den Arbeitsplatz, sondern oft auch langfristige Vorteile: Pensionsansprüche, laufende Einzahlungen in die betriebliche Altersvorsorge oder Schutz durch Sozialversicherungen.
„Die betriebliche Altersvorsorge ist oft der stille Hebel, über den Beschäftigte Geld verlieren, ohne es zu merken“, sagt Abeln. In vielen Fällen lohne sich der Verzicht auf die Abfindung zugunsten eines geordneten Übergangs in Altersteilzeit oder Vorruhestand.

Steuerfalle Abfindung: Brutto ist nicht gleich Netto
Eine Abfindung mag auf dem Papier hoch erscheinen – doch das Finanzamt kassiert mit. Beispielrechnung: Wer 100.000 Euro Abfindung bekommt und ohnehin 50.000 Euro verdient, zahlt auf die Gesamtsumme rund 55.000 Euro Steuern. Zwar lässt sich die Steuerlast über die Fünftelregelung mindern – aber auch diese hat ihre Grenzen.
Der Steuerberater Henry Scheel warnt davor, nur auf die Bruttosumme zu schauen: „Oft sind am Ende 40 bis 50 Prozent weg.“ Und wer keinen nahtlosen Übergang in einen neuen Job findet, riskiert zusätzlich eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.
Der stille Verlust: Betriebliche Altersvorsorge
Ein besonders heikler Punkt betrifft langjährige Mitarbeiter mit hoher betrieblicher Altersvorsorge. In einem aktuellen Fall verliert ein Manager, der mit 55 Jahren ausscheiden soll, bis zur Rente rund 400.000 Euro an betrieblichen Einzahlungen – einfach, weil diese wegfallen, sobald das Beschäftigungsverhältnis endet. Und das bei einer Netto-Abfindung von gerade einmal 360.000 Euro.
„In solchen Fällen ist der Deal schlicht unvorteilhaft“, so Abeln. „Die kurzfristige Summe wiegt den langfristigen Verlust nicht auf.“
Wenn freiwillige Programme Druck erzeugen
Zahlreiche Konzerne – ob Bayer, Siemens oder Allianz – arbeiten mit Freiwilligenprogrammen. Diese beinhalten oft „Sprinterprämien“, die besonders schnelle Entscheider belohnen sollen. Doch die Prämien sind in der Regel überschaubar – meist drei Bruttogehälter – und verleiten dazu, voreilig zu unterschreiben.
Rechtsanwalt André Kasten rät daher zur Ruhe: „Wer Zeit hat, kann verhandeln – wer sich drängen lässt, verzichtet oft auf bessere Alternativen.“
Alternativen: Vorruhestand und Altersteilzeit
Für Beschäftigte, die in den nächsten Jahren ohnehin mit dem Ruhestand liebäugeln, können Vorruhestand oder Altersteilzeit die bessere Lösung sein. Beim Vorruhestand zahlt das Unternehmen ein gestaffeltes Ruhegeld bis zum Renteneintritt – Rentenansprüche bleiben erhalten.
Noch flexibler ist die Altersteilzeit: Die Arbeitszeit wird reduziert, das Gehalt angepasst – aber die Sozialversicherungsbeiträge werden fast vollständig weitergeführt. Das schützt die spätere Rente und ermöglicht einen sanften Übergang in den Ruhestand.
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