16. September, 2024

Wirtschaft

Wandel der Ehe in Iran: Junge Generation Priorisiert Eigenständigkeit über Tradition

Wandel der Ehe in Iran: Junge Generation Priorisiert Eigenständigkeit über Tradition

Neda, eine 27-jährige Fitnesstrainerin aus Teheran, steht vor der Frage, ob sie überhaupt noch heiraten sollte. Für viele junge, städtische Iraner scheint der Verlust der persönlichen Freiheit ein zu hoher Preis zu sein, um in den Bund der Ehe zu treten.

Die Institution Ehe befindet sich im Iran im Rückgang, und das durchschnittliche Heiratsalter steigt. Im internationalen Vergleich zeigt sich ein ähnlicher Trend, der jedoch im Iran Besorgnis unter den religiösen Führern auslöst. Sie befürchten nicht nur den Verlust traditioneller Werte, sondern auch die Bedrohung durch eine schrumpfende Bevölkerung.

Ali Khamenei, der oberste religiöse Führer, forderte kürzlich den Gesundheitsminister persönlich auf, Maßnahmen zur Förderung der Geburtenrate zu ergreifen. Regierungsprogramme bieten frisch verheirateten Paaren zinsgünstige Kredite, und auch das Militär sowie die Revolutionsgarden unterstützen unfruchtbare Paare finanziell.

Die Anzahl der Ehen in Iran ist in den letzten zehn Jahren von nahezu 800.000 auf 480.000 gesunken. Der Professor für Demographie, Shahla Kazemipour, führt dies auf veränderte demographische Verhältnisse zurück. Während die Zahl der unverheirateten Frauen unter 50 Jahren von 8 Millionen auf 5 Millionen gesunken ist, bleibt die durchschnittliche Heiratsrate bei etwa 10 Prozent pro Jahr stabil.

Frauen im Iran entscheiden sich zunehmend bewusst gegen die Ehe. Wirtschaftliche Unsicherheit, die gestiegenen Kosten für Hochzeiten und der generelle Lebensunterhalt sind hierbei maßgebliche Faktoren. Viele junge Iraner fühlen sich auch nicht mehr durch religiöse oder kulturelle Normen zur Ehe verpflichtet.

Gleichzeitig nimmt die Zahl der sogenannten 'weißen Ehen' zu, bei denen Paare ohne formelle oder religiöse Eheschließung zusammenleben. Solche Lebensstile stehen im Widerspruch zu religiösen und gesellschaftlichen Normen und werden von konservativen Kräften scharf kritisiert.

Die Geburtenrate im Iran ist ebenfalls rückläufig, was Bedenken hinsichtlich einer alternden Gesellschaft aufkommen lässt. Trotz staatlicher Fördermaßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate, könnten die zunehmend individualistischen und freiheitsliebenden Einstellungen der jungen Generation die Bemühungen der Regierung vereiteln.

In der heutigen iranischen Gesellschaft sind Scheidungen keine Seltenheit. Mit einer Scheidungsrate von zwei von fünf Ehen zeigt sich, dass viele Menschen zögern, zu heiraten, um künftige potenzielle Konflikte zu vermeiden. Die Frage nach dem Sinn und Zweck der Ehe wird dabei immer lauter gestellt.