Inmitten der aktuellen Diskussion um die Verlässlichkeit der Inflationsrate werfen wir einen Blick auf die Berechnungsmethoden und ihre potenziellen Schwächen.
Wie die Inflationsrate berechnet wird
Vorhersehen kann die Preisentwicklung niemand. Daher bezieht sich die Inflationsrate auch stets auf die Vergangenheit. Sie zeigt an, wie stark die Preise im Schnitt im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen sind. Oder anders gesagt: Wie sich der Verbraucherpreisindex (VPI) in diesem Zeitraum verändert hat.
Eine Inflationsrate von 4,5% im September bedeutet demnach, dass sich sämtliche Waren und Dienstleistungen seit September 2022 durchschnittlich um 4,5% verteuert haben. Doch wie ermittelt man eine solche Zahl?
Rund 300.000 Einzelpreise
Am Anfang steht das Sammeln etlicher Einzelpreise. Jedes Bundesland entsendet gegen Mitte des Monats ein paar Dutzend Preisermittler: Ehrenamtliche, die für eine Aufwandsentschädigung Einzelpreise im Supermarkt, im Schuhgeschäft oder beim Metzger erfassen. Mehr als 300.000 Einzelpreise aus 700 verschiedenen Güterarten werden auf diese Weise jeden Monat gesammelt.
Die Daten liefern die Preisermittler ans Statistische Landesamt, um die Auswertung kümmert sich anschließend das Statistische Bundesamt.
Nur ein Bruchteil aller Güter
300.000 Einzelpreise sind eine ganze Menge. Dennoch sind sie nur ein Bruchteil von dem, was in Deutschland über die Ladentheken geht oder an Dienstleistungen in Anspruch genommen wird.
Das kommt unter anderem daher, dass nicht sämtliche Produkte einer Güterkategorie in den VPI einfließen, sondern jeweils die beliebtesten ihrer Klasse. So steht am Ende etwa das helle Weizenbrötchen stellvertretend für die Kategorie Brötchen. Oder die Vollmilchschokolade für die Kategorie Tafelschokolade.
Gewichtung nach Anteil an Haushaltsausgaben
Zudem fließen nicht alle Produkte und Dienstleistungen gleichermaßen in den Verbraucherpreisindex ein. Ein Gut wird umso stärker gewichtet, je relevanter es für einen durchschnittlichen Haushalt in Deutschland ist.
Entspricht das Wägungsschema der Realität?
Das aktuelle Wägungsschema des VPI basiert momentan auf Daten von 2020. Mit anderen Worten: Was der Durchschnittshaushalt im Coronajahr 2020 kaufte, gilt nach wie vor als Messlatte für die Berechnung des VPI. Normalerweise wird das Wägungsschema alle fünf Jahre einer Revision unterzogen und den Gewohnheiten angepasst. Die Frage ist: Genügt das?
Wohnkosten „deutlich unterrepräsentiert"
Die Inflationsrate soll die Entwicklung der Lebenshaltungskosten abdecken – tut das aus Sicht einiger Kritiker aber nur ungenügend. Ein wiederkehrender Streitpunkt ist das Thema Immobilien. Während Mietpreise und Nebenkosten enthalten sind, werden selbst genutzte Wohnungen und Häuser teilweise ausgeklammert.
Computer, Waschmaschine, Auto: Hohe Kosten, hoher Einfluss
Wieder andere Posten wünscht sich manch einer aus dem VPI heraus. Etwa solche, die üblicherweise nur alle paar Jahre oder Jahrzehnte angeschafft werden: Autos, Computer, Möbel etwa.
Basiseffekt lässt die Lage schlimmer aussehen
Hersteller müssen sich nicht mit Schnäppchenpreisen überschlagen, damit die Inflationsrate sinkt. Nicht selten lassen politische Maßnahmen und Entlastungspakete die Inflationsrate um ein paar Prozentpunkte schrumpfen.
„Gleiches mit Gleichem" vergleichen
Ein ewiger Zankapfel in der Debatte um die „wahre“ Inflationsrate sind Produktverbesserungen. Denn zum Missfallen vieler Kritiker werden auch diese vom Statistischen Bundesamt berücksichtigt – und wirken wie eine Preissenkung.
Persönliche Inflation berechnen
Geht die Inflationsrate an der Realität vorbei? Aber ja, und zwar gewaltig. Jedenfalls, wenn mit „Realität" die Lebenswirklichkeit jedes einzelnen Bundesbürgers gemeint ist. Denn diese kann eine allgemeingültige Durchschnittszahl überhaupt nicht abbilden.