Deutschlands große politische Bühne erfährt durch die neue Wahlrechtsreform eine längst notwendige Verkleinerung, während sich für die Wähler selbst wenig ändert. Trotz der Anpassungen hinsichtlich der Größe des Bundestages verbleibt das grundlegende Wahlprozedere unverändert, wobei Wähler unverändert zwei Stimmen vergeben: Eine für den Direktkandidaten ihres Wahlkreises und die andere für die Partei ihrer Wahl. Der Vorschlag, die Bezeichnungen in „Wahlkreisstimme“ und „Hauptstimme“ zu ändern, wurde verworfen, um Verwirrung zu vermeiden.
Die entscheidendste Veränderung durch die Ampel-Koalition betrifft die Struktur des Parlaments. Nachdem der Bundestag von ursprünglich 598 auf zuletzt 736 Abgeordnete angewachsen war, wird seine Größe nun auf maximal 630 Abgeordnete begrenzt. Grund für das bisherige Wachstum waren Überhang- und Ausgleichsmandate, die nun durch die Reform wegfallen. Diese Mandate führten dazu, dass das deutsche Parlament das größte frei gewählte der Welt wurde.
Besonders spannend wird die Entwicklung durch die neue Gewichtung der Zweitstimme: Sie erhält durch die Reform eine erhöhte Bedeutung, da Direktmandate nur dann erhalten bleiben, wenn sie durch das Zweitstimmenergebnis gedeckt sind. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Veränderung als verfassungskonform bestätigt, doch die politische Debatte, insbesondere bei der CSU, bleibt hitzig. Die CSU profitierte bislang stark von Überhangmandaten, die sie bei der Bundestagswahl 2021 in 45 von 46 bayerischen Wahlkreisen einfuhr.
Ein weiterer diskussionswürdiger Aspekt der Reform betrifft die Grundmandatsklausel. Karlsruhe kippte den Plan, diese zu streichen, und hält an ihrer Bedeutung fest, was der Linken bei der letzten Wahl zugutekam, als sie mit nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen dennoch in Fraktionsstärke einziehen konnte. Die Union plant indes, das erneuerte Wahlrecht zu überarbeiten, sollte sie Wahlerfolge einfahren, was in Koalitionsgesprächen vermutlich für Zündstoff sorgen könnte.
Eine günstigere Seite der Schrumpfkur: Der Bundestag sparte laut dem Institut der deutschen Wirtschaft jährlich 125 Millionen Euro, was unter anderem aus gesunkenen Diäten und Zahlungen an Fraktionen resultiert. Ob das Wahlrecht allerdings langfristig stabil bleibt, ist fraglich, da politische Kräfte bereits an neuen Veränderungen arbeiten.