Von Wundermittel zu Sorgenkind: Die ungewisse Zukunft von Bayers Aspirin
Ein historisches Ende? Aspirin-Tabletten, einst ein Symbol für medizinischen Fortschritt, könnten bald Geschichte sein.

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Von Wundermittel zu Sorgenkind: Die ungewisse Zukunft von Bayers Aspirin

Die legendäre Medikamenten-Dynastie: Wie Aspirin Heroin überflügelte und nun selbst vor einer unsicheren Zukunft steht.

Die Frühen Tage: Ein Durchbruch in Elberfeld

In den Annalen der Pharmageschichte ist es ein fast mythisches Duell: Aspirin gegen Heroin – zwei Medikamente, deren Schicksale aufs Engste mit dem deutschen Pharmariesen Bayer verknüpft sind.

Während Aspirin zu einem der weltweit bekanntesten Medikamente aufstieg, verschwand Heroin im Nebel der Geschichte. Doch heute steht Aspirin selbst an einem Wendepunkt, der das Ende einer Ära bedeuten könnte.

Die Geschichte von Aspirin beginnt im Jahr 1897, in einem bescheidenen Labor in Elberfeld.

Bayer, damals noch mit Sitz in Wuppertal, beherbergte den jungen Chemiker Felix Hoffmann.

Hoffmanns Durchbruch, die Entwicklung der Acetylsalicylsäure (ASS), war eine Revolution in der Schmerzbehandlung. Seine Formel, die die fiebersenkenden Eigenschaften der Salicylsäure nutzte, ohne die unangenehmen Nebenwirkungen, war ein Meilenstein.

Heroin vs. Aspirin: Ein Unerwartetes Rennen

Jedoch war es nicht sofort Aspirin, das die Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein anderes Produkt aus Hoffmanns Labor stahl anfangs die Show: Heroin, vermarktet als Hustensaft, mit einer später entdeckten, verheerenden Suchtgefahr.

Es war eine Zeit, in der die Risiken solcher Medikamente noch weitgehend unbekannt waren. Ironischerweise war es gerade Heroin, das Aspirin zunächst in den Schatten stellte.

Aspirins Schicksal änderte sich jedoch bald. Auf Drängen einiger Ärzte, beeindruckt von seinen therapeutischen Eigenschaften, fand Aspirin seinen Weg in die Apotheken. Der 6. März 1899 markierte den Beginn einer Ära, als Aspirin offiziell als Warenzeichen registriert wurde.

„Aspirin, einst ein Symbol für medizinischen Fortschritt, steht nun an der Schwelle einer ungewissen Zukunft, die sowohl seine historische Bedeutung als auch seine Marktdominanz infrage stellt.“ - Dr. Maria Schwarz, Pharmahistorikerin.

Aspirins Triumph: Von Kafka bis zur Neuzeit

Von da an nahm Aspirin eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Es wurde von Literaten wie Thomas Mann und Franz Kafka gepriesen, die es als Linderung für den „unerträglichen Schmerz des Daseins“ bezeichneten.

Doch selbst nachdem Bayer nach dem Ersten Weltkrieg die US-Rechte an Aspirin verlor, gelang es dem Unternehmen, seine Bedeutung aufrechtzuerhalten. 1994, unter CEO Manfred Schneider, erlangte Bayer diese Rechte zurück – ein strategischer Coup, der die Marke Aspirin wiederbelebte.

Die wissenschaftliche Erklärung für Aspirins Wirkung blieb lange ein Rätsel, bis der britische Pharmakologe John Vane 1971 die Antwort fand: Aspirin hemmt entzündungsfördernde Gewebehormone, die Prostaglandine. Diese Entdeckung festigte Aspirins Stellung als Grundpfeiler der modernen Medizin.

Eine Unsichere Zukunft: Aspirin am Scheideweg

Heute, fast 125 Jahre später, steht Bayer jedoch vor einer schwierigen Entscheidung. Nach Rückschlägen im Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten erwägt das Unternehmen, sich von diesem Segment – und damit auch von Aspirin – zu trennen.

Eine solche Entscheidung würde nicht nur das Ende einer historischen Ära bedeuten, sondern auch eine tiefgreifende Veränderung für Bayer selbst, das untrennbar mit Aspirin verbunden ist.

„Die Entscheidung, sich von Aspirin zu trennen, könnte für Bayer mehr als nur einen strategischen Wandel bedeuten; es ist das Ende einer Ära, die das Gesicht der modernen Medizin geprägt hat.“ - Prof. Henrik Müller, Wirtschaftsexperte und Pharma-Analyst.

Die Marktdominanz von Aspirin bleibt unbestritten. Mit einem Marktanteil von 60 Prozent im ASS-Segment, laut Insight Health, und einem Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro, hat Aspirin die Zeiten überdauert. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Andere Hersteller wie Stada oder Ratiopharm bieten ebenfalls ASS-Präparate an.

Neben der klassischen Tablette gibt es Aspirin in verschiedenen Formen – von Brausetabletten bis hin zu Granulaten, die sich im Mund auflösen. Bayer hat zudem Aspirin Cardio entwickelt, ein rezeptpflichtiges Medikament zur Vorbeugung von Thrombosen und Schlaganfällen, das nicht vom möglichen Verkauf der rezeptfreien Sparte betroffen wäre.

Die Entscheidung über die Zukunft von Aspirin wird nicht nur die Zukunft von Bayer beeinflussen, sondern auch einen Wendepunkt in der Geschichte der Pharmazie markieren.

Aspirin, einst Hoffmanns Nebenprodukt, das Heroin überlebte und zu globaler Berühmtheit gelangte, steht nun am Scheideweg.