22. April, 2025

Politik

Von der Leyens Kurswechsel: Bürokratieabbau oder Aufgabe der Klimaziele?

Die EU-Kommissionspräsidentin lockert zentrale Elemente des Green Deals und plant deutliche Erleichterungen für Unternehmen. Doch Kritiker sehen darin eine Abkehr von ihren eigenen politischen Grundsätzen – und ein gefährliches Signal für Europas Klimapolitik.

Von der Leyens Kurswechsel: Bürokratieabbau oder Aufgabe der Klimaziele?
Mit der geplanten Entschärfung des Lieferkettengesetzes und der Nachhaltigkeitsberichterstattung streicht die EU-Kommission wesentliche Kontrollmechanismen. Unternehmen sehen das als notwendige Reform – Umweltverbände als Verrat an europäischen Klimazielen.

Ein drastischer Kurswechsel steht bevor: Ursula von der Leyen, einst Architektin des Green Deals, will wesentliche Teile der europäischen Umwelt- und Nachhaltigkeitsvorgaben entschärfen. Unternehmen sollen künftig weniger bürokratische Hürden für ihre Lieferketten und Nachhaltigkeitsberichte bewältigen müssen.

Interne Dokumente der EU-Kommission, die InvestmentWeek vorliegen, zeigen, dass selbst zentrale Regelungen wie das Lieferkettengesetz auf den Prüfstand kommen. Während die Wirtschaft den Schritt als überfällige Entlastung feiert, schlagen Umweltorganisationen und Teile der eigenen Kommission Alarm.

Bürokratieabbau als neue Strategie?

Vor allem das hoch umstrittene Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, Umwelt- und Menschenrechtsstandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu kontrollieren, soll deutlich abgeschwächt werden. Statt lückenloser Überprüfung von Rohstoffen bis zum Endprodukt müssen Unternehmen künftig nur noch direkte Zulieferer kontrollieren.

Auch die Berichtspflichten werden gelockert: Statt jährlicher Nachweise sollen Prüfungen nur noch alle fünf Jahre erforderlich sein. Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten wären gänzlich befreit.

Besonders hart trifft die Änderungen die geplante Nachhaltigkeitsberichterstattung, die ursprünglich Unternehmen verpflichten sollte, mehr als 1.000 Kennzahlen zu ihrer Umwelt- und Sozialverantwortung zu erheben.

Noch vor wenigen Jahren galt Ursula von der Leyen als treibende Kraft hinter dem Green Deal – nun will sie zentrale Umweltvorgaben lockern. Kritiker warnen vor einem Rückschritt im Klimaschutz, während die Wirtschaft auf Erleichterungen drängt.

Diese Pflicht soll nun für 85 Prozent der betroffenen Unternehmen entfallen, insbesondere für kleine und mittlere Betriebe. Kritiker argumentieren, dass dies das Transparenzprinzip aushöhlen könnte – für die Wirtschaft bedeutet es hingegen eine erhebliche Entlastung.

Vom Green Deal zur Wirtschaftsförderung?

Der politische Schwenk deutet auf eine Neuausrichtung der EU-Politik unter von der Leyen hin. Noch vor wenigen Jahren hatte sie den Green Deal als eine Art „europäischen New Deal“ präsentiert – eine Wachstumsstrategie, die Klimaschutz und Wirtschaft in Einklang bringen sollte. Doch nun scheint sie den Kurs umzukehren: Weniger Regulierung, mehr Spielraum für Unternehmen.


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„Die Bürokratiewelle, die mit dem europäischen Lieferkettengesetz und der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf unsere Unternehmen zurollt, ist riesig“, kommentiert der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.

„Es muss jedem klar sein, dass allein mit Berichtspflichten noch nichts für den Klima- und Umweltschutz gewonnen ist.“ Ein Argument, das in vielen Wirtschaftskreisen Zustimmung findet.

Europas Manager betrachten die wachsenden Berichtspflichten zunehmend als Haupthindernis für Investitionen, noch vor den hohen Energiepreisen. Unter von der Leyen wuchs die Bürokratie erheblich – nun wird sie zur Belastung für den Standort Europa. Ihre Antwort: ein groß angelegtes Omnibuspaket, das nicht nur das Lieferkettengesetz entschärfen, sondern auch weitere Umweltauflagen zurückfahren soll.

Wirtschaft erleichtert – Klimaschützer entsetzt

Während Verbände der Industrie und Unternehmen von einem „vernünftigen Schritt“ sprechen, kommt Kritik vor allem aus dem linken Lager und Umweltorganisationen. Greenpeace, Fridays for Future und auch einige EU-Kommissare sehen in den Änderungen eine Aufgabe zentraler Umweltziele.

Besonders kontrovers wird diskutiert, dass die EU-Länder künftig nur noch 40 Prozent der klimafreundlichen Technologien wie Solarzellen oder Windräder selbst produzieren müssen – ein Schritt, der China als Hauptlieferant für erneuerbare Technologien weiter stärken könnte. Der Kampf gegen die Bürokratie könnte damit zum Kampf gegen den Green Deal selbst werden.

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