Chinas Vormarsch in Russland
Seit dem Beginn des Ukrainekriegs hat sich Russlands Wirtschaft zunehmend Richtung China orientiert. Das zeigt sich im russischen Alltag immer deutlicher, sei es beim Bier im Supermarkt oder den Autos auf den Straßen.
Chinesische Produkte, die einst für schlechte Qualität standen, ersetzen zunehmend westliche Marken, die aufgrund der Sanktionen verschwunden sind.
Doch die neue wirtschaftliche Freundschaft ist nicht ohne Schattenseiten – Chinas Interessen in Russland sind primär pragmatisch und eigenständig.
Ein Wandel im Straßenbild
Noch vor wenigen Jahren dominierten europäische, japanische und koreanische Marken den russischen Neuwagenmarkt. Mit dem Rückzug westlicher Hersteller ist diese Zeit vorbei.
Chinesische Automarken wie BYD, Geely und Chery haben den Markt schnell übernommen – ihr Anteil stieg von unter 10 Prozent im Jahr 2022 auf fast 60 Prozent Ende 2024.
„Auf Moskaus Straßen sieht es aus wie in Peking“, erklärt der russische Ökonom Wladislaw Inozemcew.
Diese rasante Veränderung zeigt, wie schnell chinesische Hersteller die entstandene Lücke füllten. Gleichzeitig beklagen Taxifirmen und Konsumenten Qualitätsprobleme bei Ersatzteilen und Fahrzeugen.
„Wir kaufen chinesische Autos nicht aus Überzeugung, sondern weil es keine Alternative gibt“, kommentiert eine Moskauerin die Situation nüchtern.
Handelsschub mit Abhängigkeit
Das bilaterale Handelsvolumen zwischen Russland und China erreichte 2024 einen Rekordwert von 222,77 Milliarden Dollar. Während die russischen Exporte, vor allem von Öl und Gas, in das Reich der Mitte zunahmen, stiegen die chinesischen Importe weitaus stärker.
Die Folge: Ein schrumpfender Handelsbilanzüberschuss und eine zunehmende Abhängigkeit Russlands von chinesischen Waren.
Über 90 Prozent des Handels zwischen beiden Ländern werden mittlerweile in Yuan und Rubel abgewickelt, was die Dominanz des Dollars in der Region schwächt.
Doch während China bereitwillig exportiert, hält es sich mit Investitionen in Russland zurück. „China sieht Russland nur als Absatzmarkt und Rohstofflieferanten“, analysiert Inozemcew.
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Die Grenzen der Freundschaft
Trotz der wirtschaftlichen Annäherung bleibt die Beziehung zwischen beiden Ländern kühl und geschäftsorientiert. Das wird am Beispiel der Gasleitung „Power of Siberia 2“ deutlich, deren Bau China bisher nicht zugestimmt hat.
Zusätzlich verhängte Peking neue Zölle auf russische Kohle, und chinesische Metallfirmen drängen russische Konkurrenten auf internationalen Märkten zurück.
Diese Maßnahmen verdeutlichen: China denkt strategisch und verfolgt in der Zusammenarbeit mit Russland vor allem eigene Interessen. Für viele russische Unternehmen bedeutet das, auf billige, aber nicht immer zuverlässige Produkte aus China zurückgreifen zu müssen.