Bayer: Absturz eines Dax-Giganten
Noch vor einem Jahrzehnt thronte Bayer als wertvollster Konzern im Dax, doch davon ist heute wenig geblieben. Die neuen Quartalszahlen des Leverkusener Chemieriesen zeigen, wie tief die Krise tatsächlich geht: Der Umsatz sank um 3,6 Prozent, das bereinigte Ergebnis brach um fast 26 Prozent auf 1,25 Milliarden Euro ein.
Besonders hart trifft das den neuen Vorstandschef Bill Anderson, der angetreten ist, um Bayer wieder auf Kurs zu bringen. Doch bisher ist der Absturz ungebremst.
Es ist ein Schicksalsschlag, vor allem für die Investoren. Die Aktie, einst ein Dax-Schwergewicht, stürzte um elf Prozent ab und markierte den tiefsten Stand seit 20 Jahren. Alle Hoffnungen, dass Anderson die seit Jahren kriselnde Firma wieder in die Spur bringen könnte, scheinen sich zunächst nicht zu erfüllen.
Agrochemie – ein Erbe, das Bayer in die Knie zwingt
Besonders die Agrochemie-Sparte macht Bayer schwer zu schaffen. Rund 4,2 Milliarden Euro Quartalsverlust verbuchte der Konzern, insbesondere wegen hoher Abschreibungen im Bereich Pflanzenschutz.
Die 63 Milliarden Euro teure Monsanto-Übernahme, die einst Bayer zur globalen Spitze der Agrochemie führen sollte, entpuppt sich immer mehr als Belastung. Der sinkende Bedarf an Glyphosat, dem Wirkstoff im umstrittenen Unkrautvernichter Roundup, und der wachsende Druck durch günstigere Konkurrenzprodukte haben die Einnahmen in diesem Bereich deutlich schrumpfen lassen.
Es bleibt eine paradoxe Situation: Während das Pharmageschäft mit rezeptfreien Medikamenten wie Aspirin und neuen Krebstherapien stabil ist, wird Bayer durch die Probleme in der Agrochemie-Sparte zunehmend in die Defensive gedrängt.
Für einen Konzern, der auf eine langfristige Wachstumsstrategie hofft, ist dies ein harter Schlag – zumal Investoren die Hoffnung auf eine schnelle Wende zunehmend verlieren.
Monsanto und die Klageflut – eine Hypothek für Bayer
Bayers Glyphosat-Problem endet jedoch nicht bei den gesunkenen Absätzen. Die juristische Aufarbeitung der angeblichen Gesundheitsrisiken durch das Mittel zieht sich weiter in die Länge.
Seit der Monsanto-Übernahme sieht sich Bayer einer beispiellosen Klagewelle gegenüber: Etwa 177.000 Klagen wurden mittlerweile wegen angeblicher krebserregender Wirkung von Glyphosat angestrengt. 63.000 dieser Fälle sind noch immer ungeklärt.
Bayer strebt derzeit eine erneute Prüfung des Falls durch den Obersten Gerichtshof der USA an, nachdem ein erster Versuch gescheitert war. Eine Entscheidung wäre jedoch frühestens 2025 zu erwarten. Bis dahin bleibt die Unsicherheit bestehen und belastet den Aktienkurs weiter.
Für Anderson und sein Team bedeutet dies ein Rennen gegen die Zeit, in dem jede Verzögerung teuer zu stehen kommt.
Strategie mit ungewissem Ausgang
Um Bayer wieder auf Kurs zu bringen, setzt Anderson auf eine radikale Umstrukturierung. Seit Jahresbeginn wurden 5500 Stellen abgebaut, vor allem im Management.
Dieser Umbau soll dem Konzern zu mehr Dynamik und Effizienz verhelfen. Anderson betont, dass Bayer „sehr große Fortschritte“ bei der Verschlankung gemacht habe, doch ob diese Maßnahmen ausreichen, um das Vertrauen der Aktionäre zurückzugewinnen, bleibt fraglich.
Kritik kommt vor allem von Fondsmanagern, die eine konkrete Wachstumsstrategie vermissen.
„Bayer braucht endlich einen klaren Plan, der Umsatz, Gewinn und Schuldenabbau konkret anpackt“, fordert Markus Manns von Union Investment.
Die Geduld der Investoren ist nahezu erschöpft, und die Zweifel an einer erfolgreichen Transformation wachsen.
Bayer am Scheideweg
Die Zahlen des dritten Quartals zeigen deutlich, wie tief die Probleme bei Bayer wirklich reichen. Die überambitionierte Monsanto-Übernahme hat sich als schwerwiegender strategischer Fehltritt erwiesen, der den Konzern bis heute lähmt. Während das Pharmageschäft stabil bleibt, zieht die Agrochemie-Sparte das Unternehmen immer weiter nach unten.