18. September, 2024

Wirtschaft

Volkswagen unter Druck: Ein Branchenriese im Umbruch

Volkswagen unter Druck: Ein Branchenriese im Umbruch

Volkswagen, größter Automobilhersteller Deutschlands, steht vor einer beispiellosen Krise. Rückläufige Nachfrage nach Elektroautos, hohe Energiekosten und zunehmend starke Konkurrenz aus China stellen den Konzern vor große Herausforderungen. Diese Probleme wurden kürzlich von Vorstandschef Oliver Blume in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ aufgedeckt.

Um den Druck zu mildern, hat Volkswagen die Entscheidung getroffen, einen Sicherheitsvertrag aus den letzten 30 Jahren zu kündigen. Damit wird der im Pakt vereinbarte Kündigungsschutz für alle Mitarbeiter nicht mehr bis mindestens 2029, sondern nur noch bis 2025 gewährleistet sein.

Diese Entscheidung könnte umfassende Stellenstreichungen und Werksschließungen nach sich ziehen. Wenig überraschend hat diese Ankündigung bei den Gewerkschaften, insbesondere IG Metall, für Unmut und Proteste gesorgt. „Unions werden politisch und auf der Betriebsebene unter Druck gesetzt, flexibler zu sein“, erklärt Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank.

Deutschlands traditionelles System der Mitbestimmung, das den Arbeitnehmern die Wahl von Vertretern in Aufsichtsräte ermöglicht, hat lange als Erfolgsmodell gegolten. Dies wird jetzt in Frage gestellt. Eine Sprecherin der IG Metall betonte, dass VW gerade wegen der Mitbestimmung stark gewesen sei, und dass das Aufgeben der Arbeitsplatzgarantie Unsicherheit und Zorn erzeuge.

Die betriebswirtschaftliche Lage bleibt jedoch angespannt. Arno Antliz, der Finanzchef von VW, warnte die Belegschaft, dass dem Unternehmen jährlich der Verkauf von 500.000 Fahrzeugen, was zwei Produktionsstätten entspricht, entgehe. Die Herausforderungen seien ein Symptom für eine tiefer liegende chronische Krankheit der deutschen Wirtschaft, so Peter Bofinger, deutscher Ökonom und ehemaliges Mitglied des Sachverständigenrats.

VW hat seit der Pandemie gerade einmal ein Prozent seiner europäischen Belegschaft abgebaut, während andere Hersteller wie Renault und Stellantis, zu denen Fiat, Peugeot und Vauxhall gehören, bei 20 bzw. 15 Prozent liegen. Ökonomen wie Michael Tyndall von HSBC Global Research sehen einen schwierigen Weg für die Umstrukturierungen und warnen vor Widerständen durch den Betriebsrat und das Land Niedersachsen, das am Aufsichtsrat beteiligt ist.

Die potenziellen Kosten für Werksschließungen nach deutschem Arbeitsrecht stellen eine weitere Hürde dar. Schätzungen von HSBC gehen davon aus, dass die Schließung eines belgischen Werkes mit 3.000 Mitarbeitern VW 1,2 Milliarden Euro kosten würde, während die Schließung größerer Werke wie Emden oder Hannover zwischen 2,5 und 4 Milliarden Euro kosten könnte.

Jens Südekum, deutscher Ökonom und Regierungsberater, sieht in der Entscheidung, den Kündigungsschutz aufzuheben, jedoch nicht zwingend die Ankündigung von Entlassungen. Vielmehr handele es sich um ein taktisches Manöver zur Beeinflussung der Lohnverhandlungen.

Daniela Cavallo, Vorsitzende des VW-Betriebsrats, hat sich vehement gegen potenzielle Kostensenkungen ausgesprochen. In einem Interview betonte sie, dass die VW-Führungsetage - dominiert von „Profit-Rambos“ - gescheitert sei und stattdessen strategische Probleme wie Modellpalette und Produktionsprozess angegangen werden müssten.

Die kommenden 12 Monate werden zeigen, ob es der Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer sind, die sich durchsetzen.