Angesichts des Ausbruchs der Vogelgrippe in den Rinderbeständen der USA schlägt die internationale Gemeinschaft Alarm. Die Möglichkeit der Kontamination von Fleisch- und Milchprodukten sowie der Übertragung auf andere Säugetiere und Menschen hat Regierungen weltweit in erhöhte Bereitschaft versetzt. Das Phänomen stellt eine Prüfung für die seit der Covid-19-Pandemie verbesserten Strategien im Umgang mit Zoonosen, also Krankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können, dar.
Während Experten derzeit kein unmittelbar hohes Pandemierisiko sehen, fordern sie dennoch dringende Untersuchungen zum Virus und seinen möglichen Mutationen. Paul Digard, Professor für Virologie an der Universität Edinburgh, äußerte die Hoffnung, dass der Ausbruch in den US-amerikanischen Milchviehherden ein kontrollierter Einzelfall bleiben wird, dessen Folgen international begrenzt bleiben.
Laut Angaben des US-Zentrums für Krankheitskontrolle und Prävention breitete sich das Virus bereits in 36 Rinderherden in neun US-Bundesstaaten aus. Zudem wurden Spuren der Vogelgrippe in Proben von verkaufter Milch festgestellt. Die CDC beklagt allerdings Schwierigkeiten, Zugang zu Milchbetrieben zu erhalten, um die Ausbreitung zu überwachen und führt diesbezüglich Gespräche mit Farmen in mehreren Jurisdiktionen.
In den letzten Jahren haben mehrere Vogelgrippestämme Besorgnis ausgelöst, massive Keulungen von Geflügelbeständen veranlasst und andere Säugetiere wie Hunde und Seelöwen infiziert. Obwohl das Virus bei Menschen bisher nur selten auftrat, führte es zu mehr als 1.000 gemeldeten Todesfällen seit 2003.
Forscher vermuten, dass die H5N1-Variante des Virus bereits monatelang in US-Rinderherden kursierte, bevor der erste Fall im März bestätigt wurde. Die Gesundheitsbehörden stufen das Risiko für die öffentliche Gesundheit durch den Ausbruch bei Rindern derzeit als gering ein. Während des aktuellen Ausbruchs wurde nur eine Übertragung vom Tier auf den Menschen registriert: Ein Fall bei einem texanischen Milcharbeiter mit leichten Symptomen.
Dennoch bereiten sich Regierungen auf eine mögliche Ausbreitung auf Menschen vor. Die USA kündigten an, dass die ersten Chargen eines zweiteiligen Vogelgrippe-Impfstoffes innerhalb weniger Wochen verfügbar sein könnten, sollte es zu einer weitläufigen Übertragung von Mensch zu Mensch kommen. Forschungen deuten darauf hin, dass diese Impfstoffe einen 'guten Querschutz' gegen die bei Rindern zirkulierende Vogelgrippe bieten könnten, so Demetre Daskalakis, Direktor des National Center for Immunization and Respiratory Diseases.
Ein Impfstoff gegen die Vogelgrippe wurde bereits in Europa zugelassen, und Anpassungen existierender Impfstoffe könnten je nach Bedarf erfolgen, so das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) der EU. Die Weltgesundheitsorganisation aktualisiert regelmäßig eine Liste potenzieller Impfviruskandidaten (Candidate Vaccine Viruses, CVVs) für die Vogelgrippe und andere pandemische Risiken.
Tests des US-Landwirtschaftsministeriums ergaben keinerlei Spuren des Vogelgrippevirus in getesteten Rinderhackfleischproben. Die Rinderterminmärkte am Chicago Mercantile Exchange reagierten auf die Nachrichten mit einem Kursanstieg nach einem Rückgang um mehr als 6 Prozent am vorangegangenen Mittwoch.
PCR-Tests von 297 Einzelhandelsmilchproben aus 38 Bundesstaaten ergaben, dass etwa jede fünfte Probe das H5N1-Virus enthielt. Da das Virus durch Pasteurisierung abgetötet wird, sieht die National Milk Producers Federation jedoch keine Gefahr für die US-Milchversorgung. 'Die Kühe erkranken leicht und müssen einige Wochen aus der Produktion genommen werden, kehren danach aber wieder in den Betrieb zurück', erklärt Alan Bjerga, Kommunikations-Vizepräsident des NMPF.
Experten weisen auf mögliche Schwierigkeiten bei der Verfolgung des Virus hin, einschließlich Spannungen zwischen den Gesundheitsermittlern und dem Agrarsektor. Schnelle Ermittlungen seien essenziell, da die Gefahr mit der Evolution des Pathogens ansteigen könnte.
Pandemieexpertise ist gefragt, besonders hinsichtlich einer möglichen Neukombination des genetischen Materials, falls sich das Virus in Schweinebeständen verbreitet, meint Michael Osterholm, Professor für Umweltgesundheitswissenschaften an der Universität Minnesota. James Wood, Experte für Infektionskrankheiten an der Universität Cambridge, bestätigt, dass die aktuelle Form des Virus wahrscheinlich eine Neukombination von H5N1-Stämmen aus Europa und Amerika ist.