Hohe Energiepreise und eine als belastend empfundene Regulierung lassen das Vertrauen in den deutschen Standort erheblich schwinden. Die Bundesregierung versucht mit einem Industriestrompreispaket gegenzusteuern, doch viele Unternehmen zweifeln an der Nachhaltigkeit der Maßnahmen.
Die deutsche Exportnation, einst stolz auf ihre industrielle Stärke, sieht sich mit einem beunruhigenden Trend konfrontiert. Die Spezialchemieunternehmen, historisch verankert in Bayern, prüfen Investitionen in den USA aufgrund der dortigen "hammerguten Willkommenskultur".
Die Ergebnisse einer Deloitte-Studie im Auftrag des Industrieverbands BDI bestätigen den Unmut in der deutschen Wirtschaft. Energiesicherheit und -kosten werden von 59 Prozent der befragten Unternehmen als wichtigste Gründe für ausländische Investitionen genannt.
Alarmierend ist, dass ein Drittel der Firmen erwägt, Teile ihrer Wertschöpfung ins Ausland zu verlagern. Deutlich wird, dass das Vertrauen in den deutschen Standort "erschüttert" ist, wie Industrieexperte Florian Ploner betont.
Die Bundesregierung reagierte letzte Woche mit einem Industriestrompreispaket, das Entlastungen von 28 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren verspricht. Doch Ploner bezweifelt, dass dies den Trend stoppen kann.
Unternehmen brauchen langfristige Planungssicherheit, und das Paket bietet nur zeitlich begrenzte Unterstützung. Das eigentliche Problem bleiben die zu hohen Energiekosten, nicht die temporäre Senkung der Besteuerung.
Für einige Unternehmen kommt die Hilfe zu spät.
Die SKW Stickstoffwerke Piesteritz erwägt eine Verlagerung, da in Österreich die Gaspreise niedriger sind.
Die USA und Asien stehen als bevorzugte Ziele für die Verlagerung im Fokus. Industriestrompreise in Deutschland, die mehr als doppelt so hoch sind wie in den USA und China, machen diese Regionen attraktiv. Doch selbst innerhalb der EU gibt es Alternativen mit günstigerem Strom, wie Frankreich und Polen zeigen.
Die Deloitte-Studie offenbart, dass Unternehmen nicht nur Bauteile, sondern auch größere Teile der Wertschöpfung ins Ausland verlagern möchten. Neben den Energiekosten sind auch klassische Themen wie Lohnkosten und Marktzugang ausschlaggebend.
Produktion in den USA erleichtert den Zugang zum Markt, während bürokratische Hürden in Deutschland als Belastung wahrgenommen werden.
Die Kritik an der Regulierung in Europa, insbesondere in der Chemieindustrie, ist deutlich. Alzchem-Chef Niedermaier ärgert sich über das "Framing zur Chemie in Europa", das Risiken überbetont und Chancen vernachlässigt.
Die geplante Regulierung des Pflanzenschutzmittels Dormex zeigt, dass Europa die Chemieindustrie nicht genug schätzt. Dies verstärkt den Fokus auf die USA, auch wenn eine direkte Verlagerung nicht unmittelbar bevorsteht.
Deutschland hat zweifellos Stärken, darunter hochqualifizierte Fachkräfte und Know-how in traditionellen Branchen. Allerdings besteht erheblicher Nachholbedarf in Bereichen wie Digitalisierung und Infrastruktur.
Deloitte-Experte Ploner bringt es auf den Punkt:
„Die Stärke des Standorts ist, woher wir kommen. Die Schwäche ist die Richtung, in die wir gehen.“
Die Frage bleibt, ob Deutschland die Herausforderungen rechtzeitig angehen kann, um das Vertrauen der Unternehmen zurückzugewinnen und eine weitere Deindustrialisierung zu verhindern.