12. Februar, 2025

Reichtum

Viele Ärzte, Anwälte und Architekten bei ihrer Rente enttäuscht sind

Steigende Beiträge, schwache Renditen – Wie nachhaltig sind die Altersvorsorge-Systeme der freien Berufe wirklich?

Viele Ärzte, Anwälte und Architekten bei ihrer Rente enttäuscht sind
Während die gesetzliche Rente in den letzten Jahren um bis zu 40 % gestiegen ist, erhöhten einige Versorgungswerke die Renten ihrer Mitglieder kaum oder gar nicht.

Warum viele Rentner der Versorgungswerke frustriert sind

Jahr für Jahr erhält Günther Wohmann (Name geändert) einen Brief vom Versorgungswerk der Architekten Nordrhein-Westfalens.

Doch statt erfreulicher Nachrichten über eine solide Rentenerhöhung erwartet ihn meist Ernüchterung: Die Anpassungen bleiben minimal, oft stagnieren seine Bezüge vollständig.

Während seine Frau, die in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, über die letzten acht Jahre hinweg eine Erhöhung um 36 % erhalten hat, stieg seine Rente in 15 Jahren lediglich um knapp 8 %.

Eine Rechnung, die sich für viele Mitglieder der Versorgungswerke als herbe Enttäuschung entpuppt – und immer mehr Fragen aufwirft: Wie nachhaltig sind diese berufsständischen Versorgungssysteme wirklich?

Versorgungswerke: Ein Privileg mit Schattenseiten?

Für Ärzte, Anwälte, Architekten oder Apotheker sind die Versorgungswerke die zentrale Säule ihrer Altersvorsorge. Anders als gesetzlich Versicherte zahlen sie nicht in die staatliche Rentenkasse ein, sondern in ein kapitalgedecktes System, das traditionell als stabil und renditestark galt. Doch diese Annahme wird von immer mehr Mitgliedern infrage gestellt.

2️Kapitalgedeckte Altersvorsorge unter Druck: Die Niedrigzinsphase hat viele Versorgungswerke in eine finanzielle Schieflage gebracht – riskante Investments in Immobilien und Private Equity verstärkten die Probleme.

📌 Kernproblem: Viele Werke haben in den vergangenen 20 Jahren Rentenanpassungen vorgenommen, die im Schnitt bei unter 1 % pro Jahr lagen – und damit oft nicht einmal ansatzweise die Inflation ausgleichen konnten.

📌 Beispiel Niedersachsen: Eine frühere Tierärztin bezieht seit 2015 Rente. In fast zehn Jahren wurde ihre Zahlung lediglich um 40 Euro pro Monat erhöht – während ihre gesetzliche Rente im gleichen Zeitraum um über 40 % gestiegen ist.

📌 Noch dramatischer: Ein Apotheker, der 2013 in den Ruhestand ging, erhielt in den ersten acht Jahren überhaupt keine Erhöhung. Erst 2023 begann sein Versorgungswerk mit Mini-Anpassungen von 1 % jährlich.

Warum schneiden die Versorgungswerke schlechter ab als die gesetzliche Rentenversicherung?

1️⃣ Fehlende staatliche Zuschüsse: Anders als die gesetzliche Rentenkasse erhalten die Versorgungswerke keine milliardenschweren Steuerzuschüsse vom Bund. Die Rentenerhöhungen dort wurden teilweise mit Steuergeld finanziert – das ist bei den Versorgungswerken nicht der Fall.

2️⃣ Kapitalmarkt-Turbulenzen: Viele Versorgungswerke haben jahrzehntelang auf sichere Anleihen gesetzt, um stabile Renditen zu erwirtschaften. Doch die Nullzinsphase hat dieses Geschäftsmodell ins Wanken gebracht.

3️⃣ Fehlende Transparenz: Viele Mitglieder beklagen, dass ihre Versorgungswerke nicht offenlegen, wie ihre Gelder investiert werden und warum die Rentenanpassungen so gering ausfallen. Erst eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im vergangenen Jahr zwang die Werke zu mehr Transparenz.


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Kapitalmärkte statt Umlageverfahren – ein riskantes System?

Während die gesetzliche Rentenversicherung nach dem Umlageverfahren funktioniert – bei dem die jüngere Generation direkt die Renten der Älteren finanziert – setzen die Versorgungswerke auf Kapitaldeckung.

📌 Eigentlich ein Vorteil: Durch kluge Investments in Aktien, Immobilien und Infrastrukturprojekte sollte die Rendite langfristig gesichert sein.

📌 Doch die Realität sieht anders aus: Viele Versorgungswerke haben in der Niedrigzinsphase nicht genug Rendite erwirtschaftet, um langfristig hohe Rentenanpassungen zu finanzieren.

📌 Beispiel Berlin: Die Zahnärzteversorgung hatte auf riskante Immobilienprojekte gesetzt – einige davon mussten inzwischen mit Verlust verkauft werden.

📌 Beispiel Schleswig-Holstein: Das Apotheker-Versorgungswerk investierte in Private-Equity-Fonds – und musste massive Abschreibungen vornehmen.

Keine Wahl, keine Fluchtmöglichkeit

Ein weiteres Problem: Die Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk ist verpflichtend.

✅ Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte oder Architekten können nicht einfach zur gesetzlichen Rentenversicherung wechseln.
✅ Wer einmal im Versorgungswerk ist, bleibt auch dort – es gibt keine Möglichkeit, das System zu verlassen oder seine Beiträge anderweitig anzulegen.
✅ Besonders frustrierend für Mitglieder, die jahrelang hohe Beiträge gezahlt haben, aber kaum steigende Renten erhalten.

Einziger Trost: Einige Versorgungswerke bieten besseren Schutz bei Berufsunfähigkeit oder Hinterbliebenenversorgung – doch das reicht vielen Mitgliedern nicht aus, um die mageren Rentenanpassungen zu akzeptieren.

Könnten Versorgungswerke in die Krise rutschen?

Trotz aller Herausforderungen halten Experten einen Kollaps der Versorgungswerke für unwahrscheinlich. Doch einige Werke mussten bereits Rentenzahlungen kürzen – und es könnten weitere folgen.

📌 Ein Fall aus der Praxis: Ein süddeutsches Versorgungswerk musste 2023 die Rentenauszahlungen um 3 % senken, weil die Kapitalmarktrenditen nicht ausreichten.

📌 Mögliches Szenario: Sollten sich die Finanzierungsprobleme ausweiten, könnten einige Versorgungswerke in Zukunft gezwungen sein, entweder die Beiträge der aktiven Mitglieder zu erhöhen oder die Renten weiter abzusenken.

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