22. Dezember, 2024

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Versorgungssicherheit unter Druck: Was der deutsche Solarboom verschweigt

Der Zuwachs bei Photovoltaik-Anlagen sorgt für beeindruckende Zahlen, doch die Kehrseite des Erfolgs wird immer sichtbarer.

Versorgungssicherheit unter Druck: Was der deutsche Solarboom verschweigt
Die neu installierten 17 Gigawatt Photovoltaik-Leistung in Deutschland entsprechen der Kapazität von 17 Atomkraftwerken – doch ohne ausreichende Speicher drohen Netzinstabilitäten.

Ein Boom mit Risiken

Deutschlands Solarbranche meldet Rekordzahlen: Allein im Jahr 2024 wurden PV-Anlagen mit einer Leistung von 17 Gigawatt installiert – ein Zuwachs, der der Stromproduktion von 17 Atomkraftwerken entspricht.

Seit 2021 hat sich der jährliche Zubau vervierfacht. Während dies als Erfolg im Klimaschutz gefeiert wird, wächst die Sorge um die Netzstabilität.

„Mehr Strom, als das Netz aufnehmen kann, gefährdet das Gesamtsystem“, mahnt BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae.

Besonders problematisch ist die ungesteuerte Einspeisung von Strom durch Kleinanlagen. Diese machen etwa die Hälfte der neu installierten Leistung aus und speisen den produzierten Strom unreguliert ins Netz ein. Die Folge: sogenannte Solarspitzen, bei denen die Einspeisemengen die Netzkapazitäten übersteigen.

Notbremse per Gesetz

Um das Problem in den Griff zu bekommen, arbeitet die Bundesregierung an einem Gesetz, das PV-Anlagen steuerbar machen soll. Besitzer neuer Anlagen könnten verpflichtet werden, maximal 60 Prozent ihrer Leistung ins Netz einzuspeisen – der Rest müsste vor Ort verbraucht oder gespeichert werden.

Dieses Gesetz soll noch vor der Bundestagswahl im Februar 2025 verabschiedet werden, um nicht in der nächsten Legislaturperiode zu versanden.

Doch Kritiker warnen: Ohne umfassende Speicherkapazitäten und den Ausbau steuerbarer Kraftwerke könnte die Regelung lediglich die Symptome mildern, ohne die eigentlichen Ursachen des Problems zu lösen.

Mit 23,5 Milliarden Kilowattstunden Stromimporten im Jahr 2024 deckt Deutschland seine Energielücke zunehmend mit Atomstrom aus Frankreich – ein fragwürdiger Kurs inmitten der Energiewende.

Steigende Abhängigkeit von Importen

Parallel zur Debatte über Solarspitzen zeichnet sich ein anderes Problem ab: Deutschlands Energiewende hat das Land von einem Netto-Exporteur zu einem Importeur von Strom gemacht.

2024 wurden 23,5 Milliarden Kilowattstunden Strom importiert – dreimal so viel wie im Vorjahr. Besonders bemerkenswert: Ein Großteil dieser Energie stammt aus französischen Atomkraftwerken.

Obwohl der Anteil der erneuerbaren Energien am Verbrauch auf 55 Prozent gestiegen ist, hinkt der Ausbau steuerbarer Kraftwerkskapazitäten hinterher.

Bis 2030 benötigt Deutschland laut Bundesnetzagentur 42 neue Gaskraftwerke, doch bisher sind nur für 12,5 Gigawatt Fördermittel bereitgestellt. Die notwendigen Kapazitäten könnten daher zu spät kommen, um den geplanten Kohleausstieg fristgerecht umzusetzen.

Kosten und Klimaziele im Fokus

Während der Solarboom die CO₂-Emissionen im Energiesektor um neun Prozent senken konnte, bleibt der Preis für Haushaltsstrom weiterhin hoch. Mit durchschnittlich 40,92 Cent pro Kilowattstunde zahlen deutsche Verbraucher fast doppelt so viel wie vor 2019.

International bleibt Deutschlands Ansatz einzigartig: Während andere Länder ebenfalls auf erneuerbare Energien setzen, sichern sie ihre Versorgung weiterhin mit Atom- und Kohlekraftwerken ab. Nach einer Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der globale Kohleverbrauch 2024 sogar einen neuen Höchststand erreichen.