22. Oktober, 2024

Wirtschaft

Verhältnis von Tarifbindung und Auftragsvergabe: Neuer Wendepunkt in der deutschen Tarifpolitik?

Verhältnis von Tarifbindung und Auftragsvergabe: Neuer Wendepunkt in der deutschen Tarifpolitik?

Der Entwurf eines Tariftreuegesetzes könnte die Vergabepraxis in Deutschland grundlegend verändern. Geplant ist, dass der Bund bei öffentlichen Aufträgen künftig die Einhaltung tariflicher Standards zur unabdingbaren Bedingung macht. Dies soll die Tarifbindung stärken, deren Bedeutungsverlust innerhalb der letzten Jahre erheblich war. Dieser Vorstoß aus dem Bundesarbeitsministerium wurde jüngst an die Bundesländer und relevante Verbände versandt, obwohl das Bundesfinanzministerium, unter liberaler Führung, die Einführung bislang verzögert hatte. Wirtschaftsminister Linder äußerte Bedenken über mögliche zusätzliche bürokratische Hürden. Noch ist keine endgültige Einigung in Sicht, doch steht die Maßnahme im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen. Hintergrund der gesetzlichen Initiative ist der Rückgang von Tarifverträgen in der deutschen Arbeitswelt. In den Westländern sank deren Reichweite seit 1998 signifikant, und Ostdeutschland erlebte einen ähnlichen Trend. Ohne strikte Tarifbindung waren Unternehmen oft im Vorteil, da geringere Personalkosten attraktive Angebote ermöglichten. Der Entwurf sieht auch die Erprobung von Online-Betriebsratswahlen vor – eine Modernisierung, um das Wahlverfahren in die digitale Ära zu führen. Zudem wird der rechtliche Schutz der Betriebsratstätigkeit gestärkt, indem Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane als Offizialdelikt verfolgt werden sollen. Obwohl dieser Schritt von einigen als Einschränkung der Tarifautonomie kritisiert wird, betrachtet Bundeskanzler Scholz das Gesetz als unverzichtbar. Mehr Lohngerechtigkeit, so Arbeitsminister Heil, resultiere aus der Einhaltung von Tarifverträgen, die im Schnitt höhere Löhne bringen. Das Arbeitsministerium besitzt bereits Instrumente, um die Verbindlichkeit von Tarifverträgen über Branchengrenzen hinweg zu sichern, unterstützt durch das 2014 eingeführte Tarifautonomiestärkungsgesetz.