19. April, 2025

USA-Flüge bleiben leer – Airlines zwischen Buchungsflaute und Strategiewechsel

Die Einreisen aus Europa in die Vereinigten Staaten sind im März um über 17 Prozent eingebrochen. Während Lufthansa überraschend Zuversicht zeigt, zieht sich der Rest der Branche zurück – und rechnet mit weitreichenden Folgen für das wichtigste Langstreckengeschäft.

USA-Flüge bleiben leer – Airlines zwischen Buchungsflaute und Strategiewechsel
Laut US-Handelsbehörde ITA ging die Zahl der Einreisen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Belgien im März 2025 um rund 25 % zurück – ein Niveau vergleichbar mit dem Beginn der Corona-Pandemie.

Ein Viertel weniger Passagiere aus der DACH-Region, über 17 Prozent Rückgang aus Westeuropa insgesamt – die neuesten Zahlen der US-Außenhandelsbehörde ITA sprechen eine deutliche Sprache: Der Luftverkehr über den Atlantik schwächelt massiv.

Und das ausgerechnet in einem Markt, der für viele europäische Fluggesellschaften bislang als Stabilitätsanker galt.

Besonders betroffen: der März. Osterurlauber blieben aus, die Fernreisen lassen nach – und die Airlines ringen um eine Erklärung. Eine echte Antwort hat derzeit kaum jemand parat.

Denn anders als 2020 gibt es keine Pandemie, keine Luftraumsperre. Und doch erinnern die Rückgänge an die einschneidendsten Krisen der Luftfahrtgeschichte.

Lufthansa trotzt dem Trend – (noch)

In Frankfurt und München bleibt man derweil trotzig optimistisch. Lufthansa, die im Vergleich zu ihren Mitbewerbern traditionell stark im Nordatlantikverkehr positioniert ist, plant für den Sommer 2025 sogar ein leichtes Kapazitätsplus.

Sieben Prozent mehr Sitze ab München, heißt es aus der Konzernzentrale. Die Buchungen? Angeblich stabil. Der Umsatz? Weiterhin gut.

Doch wie belastbar ist diese Gelassenheit? Dass die Lufthansa mit Nordamerika laut Brancheninsidern bis zu 40 Prozent ihres Gewinns einfährt, macht die aktuelle Entwicklung nicht weniger heikel.

Denn: Fliegen ist ein Auslastungsgeschäft mit extrem hohen Fixkosten. Jeder leere Sitz wirkt sich direkt auf den Deckungsbeitrag aus – Verluste sind schnell Realität, sobald Passagierströme sich verschieben oder abreißen.

Virgin, Delta, Air France-KLM – plötzlich zurückhaltend

Anderswo mehren sich die Warnzeichen. Virgin-Atlantic-Chef Shai Weiss spricht offen von „nachlassender Nachfrage“. Air France-KLM reduziert das Angebot, Delta streicht gar seine Quartalsprognose.

Trotz hoher Fixkosten brechen Einnahmen weg – und damit das bislang profitabelste Langstreckensegment vieler europäischer Airlines.

Statt Wachstum geht es plötzlich wieder um Anpassung. Der Tenor: Es wird eng. Und das nicht nur im Economy-Segment, wo die Preise zuletzt stark gestiegen sind und nun auf Widerstand treffen – sondern zunehmend auch im Premiumbereich.

Selbst Airline-Vorstände müssen mittlerweile Rabatte gewähren, um die Flieger zu füllen. Ben Smith von Air France-KLM sprach in New York noch mit Stolz über seine neue First Class – aber nur, nachdem er einräumen musste, dass selbst Business-Buchungen derzeit nicht mehr so zuverlässig sprudeln wie gewohnt.

Der tieferliegende Bruch: Die Ära der „Rachereisen“ ist vorbei

Zwar wird häufig auf den späteren Ostertermin verwiesen. Doch Analysten wie Shakeel Adam von Aviado Partners sehen tiefergehende Ursachen. Der pandemiebedingte Reiserückstau, auch bekannt als „Revenge Travel“, sei abgearbeitet.

Die Konjunktur schwächelt seit Monaten. Viele Reisende haben entweder nicht mehr die Mittel oder nicht mehr die Bereitschaft, 1.200 Euro und mehr für einen Hin- und Rückflug in die USA zu zahlen.

Hinzu kommen geopolitische Unruheherde, die Inflation, ein möglicher wirtschaftlicher Dämpfer durch Donald Trumps neue Zollpolitik – und ein wachsendes Gefühl allgemeiner Unsicherheit.

„Viele Menschen sind erschöpft“, so Adam.

Die USA als Reiseziel verlieren für viele an Attraktivität – trotz politischer Brisanz, nicht wegen ihr.

Buchungen brechen ein – Stornierungen steigen

Das bestätigt auch die Datenlage. Die Reiseplattform Omio meldet für das erste Quartal 2025 eine um 16 Prozent gestiegene Stornierungsrate bei USA-Flügen – aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich sogar 40 Prozent mehr als im Vorjahr.

Und der Hotelkonzern Accor schlägt ebenfalls Alarm: In den US-Häusern des Konzerns liegen die Vorausbuchungen aus Europa bereits 25 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Wenn selbst große Reiseanbieter abrücken, ist klar: Die Einbrüche sind kein vorübergehendes Phänomen. Sondern der Beginn einer strukturellen Verlagerung.

Business Class rettet (noch) das Bild

Ironischerweise kommt ausgerechnet vom politischen Chaos derzeit auch Impuls für das obere Marktsegment. Unternehmenslenker reisen aktuell verstärkt in die USA, um ihre Lieferketten neu zu bewerten – und buchen oft kurzfristig, zu Höchstpreisen.

Das hält das Premiumsegment stabil – aber es bleibt ein fragiler Rettungsanker. Denn auch diese Reisen könnten schnell wegbrechen, wenn sich die konjunkturellen oder politischen Risiken weiter verschärfen.

Wettbewerbsvorteil für Ryanair & Co.

Parallel verschärft sich das alte Problem der etablierten Airlines: Der Wettbewerb mit Billigfliegern wird gnadenloser. Sinken die Ölpreise, profitieren Low-Cost-Anbieter stärker – ihr Kerosinanteil ist höher, ihre Ticketpreise flexibler.

Ryanair kann mit aktuell vier Prozent günstigeren Kosten deutlich aggressiver am Markt agieren als Lufthansa oder British Airways.

Selbst wenn die etablierten Linien ihre Betriebskosten durch sinkende Spritpreise um drei Prozent drücken können – im Preisbereich, in dem heute der Kampf um den Massenmarkt tobt, ist das zu wenig. Die Preissensibilität wächst – und der Abstand zur Konkurrenz wird größer.

Wenig Spielraum, keine Flugzeuge, steigende Risiken

Eigentlich wollten Europas größte Airlines im Jahr 2025 deutlich wachsen. Lufthansa plante zehn Prozent mehr Kapazität, neue Langstreckenjets von Boeing sollten den Schub bringen.

Doch die Realität sieht anders aus: Die bestellten Flugzeuge sind verspätet oder gar nicht lieferbar – und das ist im Moment sogar von Vorteil.

„Uns fehlen mehr Flugzeuge von Boeing, als wir überhaupt im Betrieb haben“, klagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Die Verspätungen ersparen der Airline derzeit neue Fixkosten in einem zunehmend unsicheren Umfeld. Eine paradoxe Form von Krisenschutz – die zeigt, wie fragil das Geschäft geworden ist.

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