Das Fundament wackelt
Seit Monaten scheint an den US-Börsen nur eine Richtung zu gelten: nach oben. Der S&P 500 legte 2024 satte 23 Prozent zu, getrieben von KI-Euphorie, der Hoffnung auf Zinssenkungen – und einer gewissen Ignoranz gegenüber makroökonomischen Realitäten.
Doch nun häufen sich die Warnzeichen. Gleich drei Bewertungsindikatoren deuten darauf hin, dass der Markt auf tönernen Füßen steht.
Der Buffett-Indikator, das Verhältnis der gesamten US-Marktkapitalisierung zum Bruttoinlandsprodukt, notiert inzwischen bei über 2,0 – doppelt so hoch wie der historische Schnitt. Eine Bewertung in dieser Höhe gab es zuletzt zur Jahrtausendwende, kurz vor dem Platzen der Tech-Blase.
Trumps Zollpolitik: Volatilität mit Ansage
Hinzu kommt politische Unruhe. US-Präsident Donald Trump hat zuletzt mit einer Reihe sprunghafter Zollankündigungen für Verunsicherung gesorgt.
Strafzölle auf Waren aus Kanada und Mexiko wurden zunächst eingeführt, dann teilweise zurückgenommen – und im gleichen Atemzug neue Maßnahmen gegen die EU angekündigt. Die Folge: nervöse Märkte, schwankende Kurse und zunehmende Risikoaversion bei institutionellen Investoren.
Die unterschätzten Frühwarnsysteme
Besonders aufhorchen lässt eine Analyse von Troy Ludtka, leitender Volkswirt bei SMBC Nikko Securities Americas. Er verweist auf zwei wenig beachtete, aber historisch zuverlässige Messgrößen:
1. Gewinnmultiplikatoren vs. Kerninflation
Normalerweise verlaufen Unternehmensbewertungen und die Kerninflation gegenläufig: Steigen die Preise, sinkt das Kurs-Gewinn-Verhältnis – und umgekehrt. Doch seit der Corona-Pandemie hat sich diese Beziehung dramatisch entkoppelt. Ludtka spricht von einer „historisch einmaligen Abweichung“, die auf eine Marktverzerrung hinweist. Sollte die Korrelation zurückkehren – was historisch stets geschah – könnte das eine spürbare Neubewertung nach unten auslösen.
2. S&P 500 vs. Geldmenge M2
Das Verhältnis von Aktienbewertung zur Geldmenge M2 hat laut Ludtka den höchsten Stand seit Ende 2000 erreicht. Auch das ist kein gutes Zeichen: Damals folgte der Crash auf dem Fuße. Die Geldmenge ist nach den pandemiebedingten Stimulusprogrammen wieder geschrumpft, die Bewertungen blieben jedoch hoch. Ein Missverhältnis, das selten lange Bestand hat.

Parallelen zur Dotcom-Ära verdichten sich
Was viele Marktteilnehmer derzeit ignorieren: Die Kombination aus hoher Bewertung, politischer Unsicherheit und geldpolitischem Richtungswechsel ist gefährlich.
Die Parallelen zur Jahrtausendwende sind nicht nur akademisch. Damals glaubte man ebenfalls an eine neue Ära – das Internet würde alles verändern, die klassischen Bewertungsmaßstäbe hätten ausgedient. Heute heißt das Narrativ: Künstliche Intelligenz, Produktivitätsexplosion, ewiger Bullenmarkt.
Doch Märkte folgen langfristig Realitäten, nicht Erzählungen.
Und die Fed?
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die US-Notenbank. Zwar hofft der Markt auf Zinssenkungen, doch die Inflation ist noch nicht nachhaltig bezwungen. Sollte sich die Teuerung erneut beschleunigen, könnte die Fed gezwungen sein, gegenzusteuern – mit entsprechend negativen Folgen für das Bewertungsniveau. Denn hohe Zinsen drücken auf die Multiples. Das ist Börsenphysik, keine Meinung.
Was tun Anleger?
Die Frage stellt sich vor allem für professionelle Investoren mit US-Exposure: Halten, reduzieren oder hedgen?
Viele Fondsmanager sind derzeit noch voll investiert, auch weil sie keinen kurzfristigen Auslöser für einen Kursrutsch sehen. Doch Ludtka warnt: „Irrationaler Überschwang ist meist retrospektiv erkennbar – wenn es zu spät ist.“
Wer sich absichern will, sollte sich weniger auf Bauchgefühl und mehr auf Fundamentaldaten stützen. Die drei Indikatoren – Buffett-Ratio, M2-Verhältnis, Bewertungsinflation – sprechen eine klare Sprache.
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