Durch Bahn- und Straßentunnel saust nicht nur tagtäglich der Verkehr, auch bedeutende Mengen an Wärmeenergie bleiben ungenutzt in den Tiefen verborgen. Stuttgart diente einst als Teststätte für eine innovative Lösung, die verspricht, diese Abwärme nutzbar zu machen.
Experten der Universität Stuttgart unter der Leitung von Christian Moormann untersuchten die Möglichkeit, die Wärmeenergie von Bahntunneln zu nutzen. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurde im Stuttgarter Stadtbahntunnel ein System installiert, das Temperatursensoren und Kunststoffleitungen in die Tunnelwände integrierte. Diese ähneln etablierten Fußbodenheizungen und transferieren die gewonnene Wärme über Wärmepumpen weiter.
Internationale Beispiele zeigen den Erfolg solcher Systeme. In Paris speist ein Metro-Tunnel bereits Wärme in ein Wohngebäude ein. Berlin könnte diesem Vorbild folgen, denn Studien weisen darauf hin, dass dort jährlich 460 Gigawattstunden Abwärme entstehen – vier Prozent des Fernwärmebedarfs der Stadt.
Diese Abwärme, die aus Erdwärme sowie Reibungsenergie der Züge resultiert, könnte mit Wärmetauschern effizient genutzt werden. Ein stillgelegter Londoner Bahnhof veranschaulicht dieses Konzept: Ab 2020 versorgt er 1.300 Haushalte über eingespeiste Tunnelabwärme.
In Stuttgart wurde der Versuch erfolgreich abgeschlossen, doch die Betriebskosten bleiben eine Herausforderung. Wärmepumpen benötigen Strom, und dieser ist kostspieliger als fossile Brennstoffe. Nichtsdestotrotz überwiegen die ökologischen Vorteile, da die Tunnel in Großstädten liegen, wo Wärme dringend benötigt wird.
Vorbeugendes Denken bei neuen Tunnelbauprojekten ist ausschlaggebend, um die geothermische Potenziale voll auszuschöpfen. Auch andere Infrastrukturen wie Abwasserkanäle könnten thermisch aktiviert werden, wie das Beispiel des Rosensteintunnels in Stuttgart zeigt.
Moormann setzt auf die Zukunft dieser Technologie: Die Wärmegewinnung in Tunneln könnte bald zum Standard werden. Dabei ist es wesentlich, bereits in der Bauplanung an diese Möglichkeit zu denken. Der Klimaschutz würde davon enorm profitieren, wenn bei allen zukünftigen Bauprojekten geothermische Lösungen berücksichtigt würden.